Für das Bürgerbeteiligungsverfahren ließ der Bezirk die Erdgeschoßlokale in der Reinprechtsdorfer Straße plus Nebengassen zählen und kategorisieren.

Grafik: DER STANDARD, Quelle: Traffix Verkehrsplanung GmbH

Wien - "Die Reinprechtsdorfer Straße ist wie die Wüste Gobi. Da geht keiner gerne spazieren." Werner Lischka kennt die ehemals florierende Einkaufsmeile in Wien-Margareten gut. Seine Mutter Emilie betreibt dort seit 1961 ein Modegeschäft - es gehört zu den wenigen Betrieben, die sich über die Jahre halten konnten. Früher habe es einen lebendigen Branchenmix und sogar drei Kinos gegeben, erzählen Lischka und seine Mutter.

Die beiden sind nicht die Einzigen, die den Verfall der fast einen Kilometer langen Querverbindung zwischen Matzleinsdorfer Platz und Schönbrunner Straße beobachten. Das Problem wird im fünften Bezirk seit Jahren beklagt. Lischkas Wüste-Gobi-Vergleich trifft aber nur zum Teil auf die Beschreibungen der Anrainer zu: "Grau in grau" sei die Straße, wenig einladend, aber auch laut und stressig. Der Ausdruck "abgesandelt" fällt häufig. Kaum ein Geschäft bleibt länger als ein paar Jahre bestehen. Die meisten alteingesessenen Händler haben ihre Pforten geschlossen. Die Nachfolger sind Ramschläden, Handyshops oder die bei vielen Anrainern verhassten Wettbüros.

Anrainerin Regina F. stellt ihr Grätzel vor.
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Die Automatenkabinen wurden mit Jahresanfang und dem Ende des kleinen Glücksspiels geschlossen. Die zahlreichen Wettcafés sind von der Regelung aber nicht betroffen: "Ich kann nichts dagegen machen", sagt Bezirksvorsteherin Susanne Schaefer-Wiery (SPÖ) dem Standard. Die Hauseigentümer würden die Erdgeschoßlokale an die Bestbieter vergeben, und das seien meist Glücksspielbetreiber. Der Bezirk wolle sich deshalb um den Dialog mit den Hauseigentümern bemühen.

Früher habe man mit Verkäufern getratscht oder sei zum Plaudern auf der Straße stehen geblieben. "Das gibt es heute nicht mehr", beschreibt eine Anrainerin die Situation. Sie ist eine von rund 150 Margaretnerinnen und Margaretner, die zum ersten Ideenwerkstatttreffen gekommen sind. Im Herbst 2014 beschloss der Bezirk ein Bürgerbeteiligungsverfahren zur Neugestaltung der Reinprechtsdorfer Straße: Zwei Jahre lang sollen gemeinsam mit Anrainern und Wirtschaftstreibenden Probleme evaluiert, Ideen erarbeitet und die Machbarkeit überprüft werden.

Foto: Andy Urban

Auch Werner Lischka ist zum Treffen gekommen. Das hoffnungsfrohe Engagement mancher Anwesenden sieht er mit Zynismus. Zu lange beobachte er die erfolglosen Wiederbelebungsversuche - eine Umgestaltung im Jahr 2001 brachte der Straße etwa Litfaßsäulen und rote Sitzmöbel, die kaum benutzt werden. "Die Leute fahren lieber ins Einkaufszentrum oder bestellen im Internet", sagt er. Andere Anrainer pflichten ihm bei: Das Geschäftssterben sei nicht aufzuhalten und das Grätzel deshalb wenig attraktiv für Jungunternehmer. Es sei außerdem schwer, potenzielle Kunden anzulocken, wenn diese das Auto nirgendwo abstellen können, wird die Parkplatzsituation bemängelt.

Nicht alle haben die Hoffnung verloren. Viele bringen motiviert Ideen ein und erträumen sich eine Flaniermeile mit Einkaufsmöglichkeiten und Gastroangebot, mit Künstlerateliers, Pop-up-Stores und Zwischennutzungsprojekten.

Ob diese Ideen Früchte tragen werden, was also konkret umgesetzt wird, ist freilich noch unklar. Die Vorschläge müssten auch mit dem U-Bahn-Bau akkordiert werden, sagt die Bezirksvorsteherin (die U2 soll ab 2018 zum Matzleinsdorfer Platz verlängert werden, Anm.). Die Neugestaltung als Wahlkampfthema zu nutzen, fände sie sowieso "plump". Das Bürgerbeteiligungsverfahren allein sei "ein großes Ding" - das würden die Wähler schon merken. (Christa Minkin, DER STANDARD, 13.2.2015)