Der Kapitän der Costa Concordia Francesco Schettino ist am Mittwochabend vom Strafgericht in Grosseto wegen Schiffbruchs, fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer Gefängnisstrafe von 16 Jahren verurteilt worden. Außerdem muss er zusammen mit der Reederei Costa Crociere mehreren Zivilklägern zum Teil hohe Summen an Schadenersatz zahlen, und darf für fünf Jahre kein Passagierschiff mehr führen. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Angeklagten 26 Jahre gefordert. Der frühere Kommandant der "Costa Concordia" war beim Verlesen des Urteils wegen einer Grippe, die ihn schon seit einigen Tagen plagte, nicht anwesend - seine Anwälte kündigten Berufung an. "Der Kapitän ist kein Verbrecher. Die Havarie der Costa Concordia war ein Unfall", sagte Schettinos Anwalt Domenico Pepe am Mittwoch.

"Basta cosi"

Am Vormittag hatte sich Schettino, wie schon bei den Plädoyers der Staatsanwälte und seiner Verteidigung in den Tagen zuvor, in den Gerichtssaal geschleppt. Kurz vor der Urteilsberatung hatte er von den Richtern die Gelegenheit zu einem Schlusswort erhalten. Es folgte einmal mehr ein Auftritt voller Selbstmitleid. Mit tränenerstickter Stimme erklärte der 54-Jährige, dass auch er bei der Havarie "zur Hälfte gestorben" sei. Das, was er seit dem 13. Januar 2012 durchmache, könne jedenfalls kaum noch Leben genannt werden. Schettino beklagte, dass man ihn zum einzigen Sündenbock gemacht habe "in der falschen Überzeugung, damit ökonomische Interessen zu schützen". Dann brach der Kapitän in Schluchzen aus und brach sein Schlusswort vorzeitig ab. "Ich wollte das nicht", sagte er noch, und: "Basta così – das reicht."

Es hat allen gereicht. Fast mehr noch als das waghalsige, aber bei Kreuzfahrten offenbar übliche Manöver vor Giglio waren es Auftritte wie dieser, die den stets braungebrannten Schettino im In- und Ausland zur verachteten und gehassten Figur gemacht haben. Die Staatsanwälte hatten den Kapitän als Feigling und Lügenbaron beschrieben, der für nichts die Verantwortung übernimmt, die Passagiere in höchster Not sich selber überlässt, sich für nichts entschuldigt und stattdessen stets anderen die Schuld gibt. "Er hat immer nur an sich und seine eigene Rettung gedacht und bei der Havarie der Costa Concordia nicht einmal nasse Schuhe bekommen", betonte ein Ankläger. In Internetforen ist das Urteil sofort als viel zu lasch kritisiert worden.

Negativ-Klischee und Ausreden

In Italien ist der Hass auf Schettino besonders groß – die "Costa Concordia", die wegen ihm nach der Havarie zweieinhalb Jahre lang gestrandet vor Giglio lag, wurde zum Sinnbild des Scheiterns eines ganzen Landes. Schettino wurde in Italien auch als "Berlusconi der Sieben Weltmeere" verspottet: Wie der Ex-Premier verkörperte der Kapitän das Negativ-Klischee des öligen italienischen Grossmauls und Gigolos, der immer für alles eine Ausrede hat. Schettino will nach der Kollision mit der Klippe unabsichtlich in ein Rettungsboot gefallen sein.

Schettino hat nichts unterlassen, um sich unbeliebt zu machen. Als er aber gestern in seinem Schlusswort davon sprach, dass ihm seine Menschenwürde genommen worden sei, hatte er nicht ganz Unrecht. Die Staatsanwälte hatten ihn im Gerichtssaal letzte Woche öffentlich als "Idioten" beschimpft. Auch ihr Versuch, den Kapitän als Alleinschuldigen hinzustellen, wird dem Geschehen vor Giglio kaum gerecht: So hat zum Beispiel der indonesische Steuermann, der weder des Italienischen noch des Englischen mächtig war, das von Schettino in letzter Minute angeordnete Ausweichmanöver in die falsche Richtung ausgeführt.

Wäre das Manöver korrekt ausgeführt worden, wäre die "Costa Concordia" laut einem Expertengutachten weniger stark beschädigt worden - und es hätte laut der Verteidigung vielleicht "keinen einzigen Toten gegeben". Den Steuermann hatte aber nicht Schettino, sondern die Reederei Costa Crociere angestellt. Dem Steuermann wurde vom Gericht – wie zwei weiteren Schiffsoffizieren, dem Hoteldirektor des Schiffs sowie dem Chef des Krisenstabs der Costa Crociere - eine außergerichtliche Lösung mit kurzen, bedingten Gefängnisstrafen zugestanden. Vorläufig muss freilich auch Schettino nicht ins Gefängnis: Beim gestrigen Verdikt handelt es sich erst um das erstinstanzliche Urteil; geht er in Berufung – was anzunehmen ist -, wird es nicht rechtskräftig.

32 Todesopfer

Das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" war am 13. Januar 2012 mit 4200 Passagieren an Bord vor der toskanischen Touristeninsel Giglio auf einen Felsen gefahren, dabei auf einer Länge von 70 Metern aufgeschlitzt worden und anschliessend vor der Hafeneinfahrt in untiefen Gewässern gekentert. Beim Unglück starben 32 Menschen, über hundert wurden verletzt. Kapitän Schettino hatte sein 290 Meter langes Riesenschiff mit relativ hoher Geschwindigkeit bis auf wenige Meter vor die Felsenküste Giglios gesteuert, um zum Gaudium der Passagiere und eines befreundeten Kapitäns auf der Insel eine "Verneigung" zu machen. (Dominik Straub, DER STANDARD, 12.2.2015)