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Schon jetzt wird mit Smartphones so viel aufgezeichnet wie nie zuvor - wird sich auch das "Livestreaming" durchsetzen?

Foto: APA/EPA/Chernin

Dass Smartphones das perfekte Überwachungstools sind, ist Geheimdiensten wie der NSA schon lange klar: Die Geräte sind immer dabei, ihre Kamera kann hochauflösende Fotos machen, das Mikrofon glasklar aufzeichnen. Ebenso deutlich ist, dass eine große Masse an Nutzern freiwillig ihre Daten freigibt: Da werden im Minutentakt Fotos via Instagram rausgejagt, Ortsangaben auf FourSquare veröffentlicht und Gedanken auf Facebook preisgegeben. Eine Reihe neuer Apps treibt dieses Prinzip nun auf die Spitze – und lässt Smartphones konstant Video sowie Ton aufnehmen und an alle Nutzer verschicken.

Keine Speicherung

Das sogenannte Livestreaming will es Nutzern ermöglichen, ihre Freunde direkt am Geschehen teilhaben zu lassen. Prinzipiell werden weder Ton noch Bild gespeichert, wenngleich das Mitschneiden durch andere nicht verhindert werden kann. Ein Reporter des "Technology Review" hat eine App mit Freunden ausprobiert und war durchaus angetan: Follower mischen sich in Gespräche ein, lachen über Witze oder feuern die Streamer an. "Wir hatten einen Heidenspass", so der Journalist.

Berufsleben

Tatsächlich wurde Air (früher Yevvo), die populärste Livestreaming-Anwendung, allerdings nicht aus exhibitionistischen Gründen entwickelt: Ihr zwei Erfinder wurden auf zwei Technologiekonferenzen eingeladen, die zeitgleich stattfanden. Sie konnten sich nicht entscheiden, daher trennten sie sich auf – und jeder zeigte dem anderen via Livestreaming, wie es auf der jeweils anderen Konferenz ablief. Mittlerweile hat das israelische Start-Up, das hinter Air steckt, von Investoren Millionenbeträge erhalten.

Flüchtig

Die Entwickler wissen selbst, dass ihre Erfindung noch nicht massenreif ist: Allerdings zeigt der riesige Erfolg von leicht zugänglichen Video- und Fotoapps wie Vine oder Snapchat, in welche Richtung sich Social Media entwickeln könnte. Livestreaming via Smartphone könnte zu bestimmten Gelegenheiten – bei wichtigen Ereignissen, aber auch im Berufsleben – auf hohe Akzeptanz stoßen. Oder auch in der jugendlichen Zielgruppe: Etwa, wenn jemand aus dem Freundeskreis erkrankt ist, aber trotzdem an der Party teilnehmen möchte.

Datenschutz und Mobbing

Gleichzeitig gibt es noch große Hürden, vor allem was den Datenschutz und Cybermobbing betrifft: Das Technology Review beobachtete etwa, dass vor allem ältere Männer jungen Mädchen auf "Air" folgten. Dann gab es noch die jugendlichen Burschen, die Mädchen konstant aufforderten, sich nackig zu machen – eine laut Technology Review "ekelhafte, pervertierte" Umgebung. "Air" will sich deshalb künftig stark auf bessere Privatsphäre-Einstellungen konzentrieren. Als erster Schritt wurde etwa umgesetzt, dass Follower nun individuell akzeptiert oder abgelehnt werden können. Weiters werden Leute, die streamen, nicht mehr "wild" anderen Nutzern vorgeschlagen.

Kritik an YouNow

Ein Dienst, der derzeit vor allem in Deutschland für Diskussionen sorgt, ist YouNow. Seit November 2014 verzeichnet der Livestreaming-Service für iOS und Android einen starken Nutzerzuwachs. YouNow ist vor allem bei Jugendlichen populär. Das deutsche Bundesfamilienministerium hat kürzlich vor dem Dienst gewarnt. Das Unternehmen betreibe "keine Vorsorge, um Kinder und Jugendliche wirkungsvoll vor Übergriffen und Gefährdungen zu schützen", zitiert Golem. Durch die Einblicke in ihr Privatleben könnten Jugendliche verstärkt "Mobbing durch Gleichaltrige und sexuelle Belästigungen durch Erwachsene" ausgesetzt sein.

Die Betreiber des Diensts haben in einer Stellungnahme bestätigt, dass YouNow nicht für Kinder unter 13 Jahren geeignet sei. Jugendschützer kritisieren jedoch, dass es keine geeignete Methode zur Verifizierung des Alters der Nutzer gebe. YouNow entgegnet dem, dass ein Moderationsteam 24 Stunden am Tag damit beschäftigt sei User zu verbannen, die gegen die Regeln verstoßen. Zusätzlich seien auch deutschsprachige Moderatoren hinzugezogen worden. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) rät Eltern jüngerer Nutzer, YouNow eher zu verbieten.

Akzeptanz

Ob verstärkte Sicherheitsmaßnahmen ausreichen, um eine breite Masse an Nutzern für Livestreaming zu begeistern, wird sich zeigen – es darf aber davon ausgegangen werden, dass Facebook und Co die Entwicklungen genau beobachten. Sollte dann Livestreaming in Facebook, Twitter oder Instagram integriert sein, könnte die Akzeptanz schon ganz anders aussehen. (fsc/br, derStandard.at, 17.2.2015)