Foto: Lukas Friesenbichler

Pro
Von Karl Fluch

Zugegeben, es war eine Umstellung. Schließlich war es Winter, das bedeutete einen kalten Entzug, buchstäblich. Denn nachdem der richterliche Befehl per RSA-Brief eintraf, der mir vorschrieb, in der Wohnung nicht mehr zu rauchen, um Hansis, des (nikotin)gelben Wellensittichs, Gesundheit nicht zu gefährden, fand ich mich strafversetzt auf dem Balkon wieder, um mir eine anzustecken. So werden Raucher Wutraucher. Auf Balkonien war es nicht nur kalt, es war nicht einmal mein kleines Reich. Aber Justitia wollte nun einmal, dass ich auf dem Balkon rauche, also erklomm ich jenen der unbewohnten Bude schräg über mir. Was sich anfangs als Mühsal und wie Gefängnissport in der Isolationshaft ausnahm, entpuppte sich schon nach wenigen Stangen Camel ohne als willkommener Ausgleichssport.

Nach wenigen Wochen konnte ich mir, an drei Fingern, frei hängend, eine anzünden. Heute zähle ich zu den bedeutendsten kettenrauchenden Freeclimbern weltweit. Das ist zwar eine kleine Gemeinde, doch, das muss ich sagen, ihre Loyalität ist bedeutend größer als jene der Sittiche.

Kontra
Von Karin Tzschentke

Raucher halten sich für Genussmenschen. Allein der Geruch einer entzündeten Zigarette verschafft ihnen angeblich schon Gusto. Doch ganz so unübertrefflich kann der Duft der großen weiten Welt nicht sein, zumindest nicht im trauten Heim. Wie sonst erklärt sich, dass viele Raucher ihrer Leidenschaft auf dem Balkon nachgehen?

Von dort tasten sich teerarsencadmiumschwangere Schwaden wie Krakententakel unverlangt zu den Hausgenossen hinüber oder hinauf, alles andere als feines Odeur hinterlassend. Ein Zigaretterl oder Pfeifchen in Ehren wird kein Nachbar dem anderen verwehren. Doch wenn die Luft ständig an übervolle Aschenbecher erinnert, darf man zu Recht die Nase davon voll haben und den Stinker notfalls bei Vermieter oder Gericht anschwärzen. Abgesehen davon sollten auch Raucher sich mal überlegen, was für erbärmliche Figuren sie abgeben, wenn sie in ihren Vorbauten im Winter bibbernd gierig an ihren Glimmstängeln lutschen. Lieber den Balkon verglasen und sich dem Gestank in den eigenen vier Wänden mit Haut und Haaren voll hingeben. (Rondo, DER STANDARD, 20.2.2015)