Bild nicht mehr verfügbar.

Der schwedische Künstler Lars Vilks: "Hier sind sich alle einig, dass Integration gescheitert ist."

Foto: Stigake Jensson/AP

Bild nicht mehr verfügbar.

Das Kulturcafé Krudttønden in Kopenhagen wurde am Samstag Ziel eines Anschlags. als dort eine Veranstaltung zum Thema Meinungsfreiheit und Gotteslästerung stattfand.

Foto: EPA/STR

Als am Samstag bei einem Anschlag in Kopenhagen Schüsse auf ein Kulturcafé abgegeben wurden, war vermutlich der schwedische Künstler Lars Vilks das Ziel. Seit er im Jahr 2007 den Propheten Mohammed in Hundegestalt zeichnete, ist er immer wieder bedroht worden und hat Leibwächter um sich. Im Gespräch mit derStandard.at schildert er seine Eindrücke zum Tathergang und kritisiert die seiner Meinung nach nicht ausreichende Bewaffnung der dänischen Polizei. Vilks glaubt nicht, dass Integrationsprozesse schnell genug wirken, um Anschläge wie jenen in Kopenhagen zu verhindern.

derStandard.at: Wie haben Sie die Geschehnisse rund um den Anschlag am Samstag erlebt?

Vilks: Wir saßen zusammen und diskutierten und hörten plötzlich Schüsse. Dann wurde alles etwas chaotisch. Ich hatte guten Schutz, aber die Behörden waren überrascht. Der Seminarraum, in dem wir uns aufhielten, war räumlich vom Eingangsbereich getrennt, wir haben also nichts gesehen, nur gehört. Der Raum selbst hatte auch keine Fenster, man hätte uns also nicht direkt angreifen können. Die Bodyguards haben sich dann um mich gekümmert und mich in einen Lagerraum gebracht, es war alles sehr surreal.

derStandard.at: Wie haben Polizei und Ihre Leibwächter reagiert?

Vilks: Der Täter hatte eine gute Waffe, die Polizisten aber nichts weiter als Pistolen. Es gab dann anscheinend einen kleinen Kampf mit dem Täter.

derStandard.at: Hat einer Ihrer Leibwächter auf den Täter geschossen?

Vilks: Ja. Vielleicht lag es an dem besonderen Training, das die Leibwächter bekommen, das könnte einen Unterschied gemacht haben. Mein Leibwächter hat dem Täter dann zu verstehen gegeben, dass er, wenn er näher käme, getötet wird. Deshalb hat er sich wohl zurückgezogen.

derStandard.at: Glauben Sie, die dänische Polizei hat bei ihrem Einsatz Fehler gemacht?

Vilks: Nein. Ihre Einschätzung der Sicherheitslage wäre vielleicht zu diskutieren gewesen. Aber der Mann kam mit einer automatischen Waffe und fing plötzlich an zu schießen, sie können nur froh sein, dass sie noch leben. Er hat drei Polizisten verletzt, und wenn man verwundet ist, braucht es nun einmal etwas Zeit, bis man wieder einsatzbereit ist.

derStandard.at: Glauben Sie, dass der Anschlag Ihnen galt?

Vilks: Ich kann nicht ganz sicher sein, weil wir das Motiv des Täters nicht kennen. Aber wer sonst könnte gemeint gewesen sein? Außer mir gab es kaum jemanden dort, der für einen islamistischen Täter als Ziel attraktiv sein könnte, und ich stehe nun einmal auf der Kopfgeldliste der Al-Kaida.

derStandard.at: Sehen Sie Parallelen zu den Anschlägen in Paris auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt?

Vilks: Es wirkt wie eine Kopie. Zuerst wird ein Ziel ausgewählt, das zu islamistischen Maßstäben passt, und dann werden Juden angegriffen.

derStandard.at: Wird dieser Anschlag Ihre Arbeit beeinflussen? Werden Sie so weitermachen können wie bisher?

Vilks: Ich hoffe es. Die Sicherheitsvorkehrungen werden vermutlich verschärft, und ich muss meine Gewohnheiten womöglich ändern. Derzeit lebe ich an einem geheimen Ort in Schweden, wo ich aber auch ein Atelier habe und meiner Arbeit nachgehen kann. Normalerweise halte ich mich öfters bei meinen Skulpturen am Strand (Nimis) auf, ich hoffe, dass ich das auch in Zukunft machen kann.

derStandard.at: Hatten Sie in letzter Zeit Ausstellungen Ihrer Arbeiten?

Vilks: Im Dezember waren einige meiner Bilder in einer Kunsthalle im Nordwesten von Skåne ausgestellt. Die Bedingung hierfür war natürlich: keine Bilder von Hunden! Ich habe zugestimmt, weil ich froh war, einmal wieder etwas ausstellen zu können. Mein Name reicht bereits, um Menschen Angst zu machen.

derStandard.at: Bereuen Sie rückblickend etwas an Ihrer Tätigkeit?

Vilks: Nein.

derStandard.at: Für welche Art von Radikalisierung sprechen die wenigen Details, die bisher über den Täter bekannt sind?

Vilks: Er war Medienberichten zufolge ein islamischer Extremist. In Zukunft müssen wir hier einem Problem ins Auge sehen: Wird das so weitergehen? Sind es Einzelfälle, oder steckt ein Muster dahinter? Man wäre jetzt nicht überrascht, wenn es wieder passieren würde, weil es nun einmal viele Menschen gibt, die sich für diese Art von Extremismus interessieren.

derStandard.at: Wie könnte man reagieren und in Zukunft solche Anschläge verhindern?

Vilks: Man muss die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen. Einstellungen und Ansichten zu verändern ist ein sehr langwieriger Prozess. Für diese Form von Investitionen in Bildung und Integration braucht man unglaublich viele Ressourcen.

derStandard.at: Also würden Sie Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen jenen in Integration vorziehen?

Vilks: Man kann einfach nicht so lange warten, bis Integrationsprozesse Wirkung zeigen, das könnte auch 20 Jahre dauern, aber Mörder könnten schon morgen wieder auf der Straße sein. Und wir müssen uns verteidigen. Integration funktioniert nicht über Nacht.

derStandard.at: Integrationsprozesse laufen ja zum Teil auch schon über Jahre und Jahrzehnte.

Vilks: Hier sind sich alle einig, dass Integration gescheitert ist.

derStandard.at: Aber was ist die Alternative?

Vilks: Das weiß man nicht. Aber man weiß, dass sich etwas ändern muss. Man braucht neue Ideen, in welche Richtung diese gehen werden, ist noch nicht klar. Aber wir haben hier ganz eindeutig ein Problem.

derStandard.at: Die erste Protestwelle gegen Mohammed-Karikaturen ist schon fast zehn Jahre her. Haben Sie das Gefühl, heute findet eine neue Debatte statt, oder werden immer noch die gleichen Anliegen diskutiert wie damals?

Vilks: Das Klima ist jetzt etwas offener. Man hat verstanden, dass Respekt kein guter Weg ist. Wenn Respekt und Meinungsfreiheit aufeinandertreffen, muss Meinungsfreiheit immer gewinnen und um jeden Preis verteidigt werden. Da darf es keinen Verhandlungsspielraum geben.

derStandard.at: Im Islam gibt es ein Abbildungsverbot des Propheten. Macht das diese Religion zu einer leichten Zielscheibe?

Vilks: Menschen können von vielen Dingen beleidigt werden, man muss Muslimen, vor allem extremen Muslimen aber klarmachen, dass es im heutigen Islam eine vollständige Verbindung von Religion und Politik gibt. Der Islam ist nicht nur eine Religion, er ist auch ein politisches Statement. Ein Symbol dieser Religion ist der Prophet und steht damit für die ganze Religion. Und Kritik am Propheten kommt wegen der Kritik am Islam selbst auf. Als politisches System muss es auch möglich sein, es zu kritisieren, so wie jedes andere politische System.

derStandard.at: Gibt es eine Form der Kritik ohne Beleidigung?

Vilks: Man muss jede Politik beleidigen, man kann nicht aus Respekt eine Ausnahme für eine Politik machen. Der Islam ist dabei wirklich eine schlechte Form der Politik, weil beispielsweise Homosexualität nicht akzeptiert wird und Frauen nur halb so viel wert sind wie Männer.

derStandard.at: Das gilt aber genauso für andere Religionen.

Vilks: Das Christentum hat sich aber modernisiert. Dort baut man keine Politik auf dogmatischen Glaubensgrundsätzen auf. Die Bibel ist nicht das Wort Gottes, der Koran aber schon und kann sich deshalb nicht verändern.

derStandard.at: Schließt das aber gleich jeden Interpretationsspielraum aus?

Vilks: Es gibt natürlich Muslime, die sich um Modernisierung bemühen und versuchen, mehr auf eine symbolische und allegorische Art und Weise zu interpretieren. Aber es ist schwierig, das durchzusetzen, weil die konservativen Kräfte im Nahen Osten dominieren.

derStandard.at: Sie glauben also nicht, dass es modernisierte Formen des Islam gibt oder er sich in Zukunft modernisieren kann?

Vilks: Ich glaube, der Islam kann modernisiert werden, und er wird sich auch modernisieren. Aber die Frage ist, wie wir das beschleunigen können. Wir können nicht warten. (Noura Maan, derStandard.at, 19.2.2015)