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König Salman von Saudi-Arabien und der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, am Dienstag in Riad. Zwei Tage später nahm der Golfkooperationsrat Katar vor Ägypten in Schutz.

Foto: EPA / Saudi Press Agency / Han

Riad/Wien - Die Geschwindigkeit, mit der nach dem Tod von König Abdullah von Saudi-Arabien am 23. Jänner in Riad personelle und institutionelle Entscheidungen fielen, überraschte alle Beobachter. Alle Zweifel, ob der Übergang zum neuen König, den physisch schwachen Abdullah-Halbbruder Salman, ein Machtvakuum schaffen könnte, wurden rasch ausgeräumt. Aus einigen Weichenstellungen kann man jedoch auch Kritik an Abdullahs Außenpolitik ablesen - besonders auf Syrien bezogen, wo vier Jahre nach Beginn des Aufstands Bashar al-Assad fest im Sattel sitzt und von wo sich der "Islamische Staat" ausgebreitet hat, der auch Saudi-Arabien im Visier hat.

Zu den Fehlern gehört für manche die dogmatische feindliche Politik Abdullahs gegenüber den Muslimbrüdern - und zwar allen Gruppierungen in der Region, die der Bruderschaft ideologisch verwandt sind. Sie hat dazu geführt, dass das saudi-arabische Verhältnis zur Türkei von Tayyip Erdogans AKP und zu Katar, das eine starke Muslimbrüderpräsenz hat, denkbar schlecht wurde. König Salman hat zu beiden Ländern enge Kontakte, heißt es, und will die Beziehungen reparieren - immerhin sind alle Assad-Feinde. Und direkt in Syrien hat die durch die saudische Haltung befeuerte Konkurrenz zwischen Muslimbrüdern und Salafisten in der Opposition zu einer nachhaltigen Schwächung Letzerer geführt.

Andere größere Ängste

Für die neue saudi-arabische Politik könnte sich eine neue Prioritätensetzung ergeben: Die Muslimbrüder, die den salafistischen Monarchien ein republikanisches islamisches Modell entgegenstellen, werden zwar weiter als Gefahr betrachtet, aber die größere Bedrohung geht vom "Islamischen Staat" aus. In Syrien wird man nur weiterkommen, wenn man die Opposition als Gesamtheit - mit Ausnahme der schlimmsten Radikalen - stärkt. Und mit Syrien verbunden ist die größte politische Herausforderung für Riad: der hegemoniale Aufstieg des Iran, der auch hinter der Machtergreifung der schiitischen Ansar Allah im Jemen vermutet wird.

Vergangene Woche besuchte der Emir von Katar, Sheikh Tamim, König Salman. Die Normalisierung mit Katar hat zwar noch Abdullah eingeleitet, aber dass sie nun Gestalt annimmt, zeigte sich am Donnerstag: Da stellte sich der von Saudi-Arabien dominierte arabische Golfkooperationsrat (GCC) auf die Seite Katars, das vom ägyptischen Botschafter bei der Arabischen Liga als Terrorismus-Unterstützer bezeichnet worden war. Katar, das zuvor seine Bedenken über die Intervention der ägyptischen Luftwaffe in Libyen ausgedrückt hatte, rief seinen Botschafter aus Kairo zurück.

Katar und die Türkei

Katar, aber auch die Türkei - die beide den Sturz des Muslimbruderpräsidenten Mohammed Morsi im Juli 2013 durch Abdelfattah al-Sisi kritisierten - werden von Ägypten beschuldigt, in Libyen die Islamisten zu unterstützen, die die nach Tobruk geflüchtete international anerkannte Regierung bekämpfen. Auch zwischen dem libyschen Premier Abdullah al-Thinni und Ankara fließt in dieser Sache böses Blut: Am Donnerstag forderte ihn das türkische Außenministerium auf, "feindselige Statements" zu unterlassen. Thinni hatte die Türkei der Nähe zu den Islamisten beschuldigt.

Was bedeutet das alles für Ägyptens Präsidenten Abdelfattah al-Sisi, der nach dem Sturz Morsis auf die volle - auch finanzielle - Unterstützung Saudi-Arabiens zählen konnte? Nach "Sisi-Leaks" - ein türkischer Kanal veröffentlichte angebliche despektierliche Bemerkungen Sisis über die reichen Golfstaaten - sahen Beobachter den ägyptischen Präsidenten bereits auf der Strafbank. Aber der Golfkooperationsrat hat nicht nur Katar gegen die ägyptischen Beschuldigungen verteidigt, sondern auch die Angriffe in Libyen gutgeheißen, die Ägypten nach der Ermordung von 21 Kopten durch die IS gestartet hatte. Riad hat weiter ein großes Interesse an einem starken Ägypten unter Sisi und wird ihn unterstützen, wenn er gegen das Vordringen der IS in Libyen interveniert.

Zwischen Fatah und Hamas

Das heißt, die neue saudische Politik wird eher eine Rückkehr zur alten Position in der Mitte sein. Das könnte auch für die Palästinenser gelten: Die traditionelle Rolle Saudi-Arabiens war die des Vermittlers zwischen Fatah und Hamas, die ja auch eine Muslimbruderfiliale ist und zuletzt von Riad dafür bestraft wurde. Und die USA - die von vielen in der Region als Muslimbrüderverbündete gesehen werden - engagieren nun die Türkei für eine Zusammenarbeit für die Ausbildung von syrischen Rebellen. Unter anderem in Saudi-Arabien. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 21.2.2015)