Im STANDARD vom vergangenen Wochenende berichtet Olga Kronsteiner über die am 6. März im Kunstrückgabebeirat anstehende Empfehlung, ob der monumentale Beethovenfries des Malers Gustav Klimt an eine Gruppe von fernen Erben des ehemaligen Besitzers Erich Lederer restituiert werden soll.

Ich melde mich in der Sache deshalb zu Wort, weil ich meine, dies Bruno Kreisky schuldig zu sein, dem ich zwischen 1970 und 1975 als Sekretär gedient habe, und weil mir deshalb bewusst ist, wie sehr dem Kanzler daran gelegen war und mit welch großem Einsatz er sich bemüht hatte,

  • den fragilen, auf Stuck, Schilf und Rohr gemalten Fries vor dem drohenden Verfall zu schützen,
  • ihn für und in Österreich zu erhalten, aber auch
  • dies auf eine Weise zu tun, die den Wünschen und Ansprüchen Lederers gerecht wird und auch den Verdiensten, die sich dessen Familie als Förderer der österreichischen Moderne erworben hat.

Wenige Wochen nach seinem Amtsantritt 1970 hatte Kreisky Lederer in einem Brief als Verhandlungsgrundlage ein Kaufangebot unterbreitet, den Brief aber mit einer Verneigung vor der Familie Lederer mit dem Bemerken geschlossen, dass diese "den Weg der österreichischen Kunst in die Moderne durch ihr Mäzenatentum gefördert, ja in gewissem Sinne ermöglicht hat ..." Um die Finanzierung sicherzustellen, ersucht er gleichzeitig Finanzminister Hannes Androsch, für die Bereitstellung der notwendigen Mittel zu sorgen, wobei er Androsch auch Fotos des Frieses zukommen lässt, um zu zeigen, "um welch herrliche Sache es sich hier handelt".

Zuerst Unterrichtsminister Leopold Gratz und dann Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg werden beauftragt, die Sache weiterzuverfolgen, nachdem Lederer, gestützt auf drei Internationale Gutachten, einen Kaufpreis von einer Million Dollar (damals 23 Millionen Schilling) genannt hatte. Wie man einer Tagebucheintragung von Minister Staribacher entnehmen kann, legten sich aber offenbar Beamte im Kunst- und Wissenschaftsministerium quer. Gemäß Staribacher "verlangt Lederer allerdings eine Million Dollar und hat sich nach Auffassung von Gratz und Firnberg gegen eine vernünftige Regelung ganz entschieden ausgesprochen".

Beamte blockieren

Am 24. April schreibt Firnberg an Kreisky, dass der Preis des Bildes - ihren Beamten zufolge - mit zwei bis drei Millionen Schilling einzuschätzen sei (wozu für die Restaurierung noch einmal 5,5 Millionen Schilling aufzuwenden wären). Firnberg gibt auf, und Kreisky nimmt die Dinge nun selbst in die Hand. Laut Staribacher will er versuchen, "ein entsprechendes Arrangement zwischen Lederer und der österreichischen Bundesregierung herbeizuführen". Er schaltet dazu auch den Industriellen Karl Kahane ein - einen Freund sowohl des Kanzlers wie auch der Familie Lederer.

Ein von Lederer beim Baseler Universitätsprofessor Hermann Fillitz eingeholtes Gutachten bestätigt inzwischen die früheren Gutachten, in denen ein Kaufpreis von einer Million Dollar als angemessen bezeichnet wurde. Aber wieder blockieren die Beamten. Sechs weitere Gutachten sollen eingeholt werden; und überdies seien vom Kaufpreis die 5,5 Millionen Schilling abzuziehen, die für die Restaurierung aufzuwenden wären. Lederer reagiert empört und schreibt an den zuständigen Beamten, dass dieser "offensichtlich nicht am Erwerb des Frieses interessiert wäre. Ich breche die Verhandlungen ab."

Nochmals schaltet sich Kahane ein, schließlich können in Genf (Lederers Wohnort) von Firnberg 1972 die Verhandlungen erfolgreich für einen Kaufpreis von 15 Millionen Schilling abgeschlossen werden.

Einem großen Anliegen des Bundeskanzlers war damit entsprochen worden; und dieses Anliegen beschränkte sich nicht nur auf den Ankauf und die dann beginnende langwierige Restaurierung des Frieses. Kreisky wollte, gemäß einem von ihm für die Zeit 1987 verfassten Artikel "Erich Lederer mit der neuen österreichischen Wirklichkeit in Verbindung bringen und Unrecht vermeiden". Dass dies verstanden und gewürdigt wurde, zeigt die Tatsache, dass Lederer dem Vermittler Kahane und Firnberg je eine Zeichnung von Gustav Klimt schenkte. Von dieser positiven Einstellung zeugt auch noch viel später ein an Kreisky gerichteter herzlicher Brief der Witwe Elisabeth Lederer. Sie hoffe, ihn so wie früher wieder im Kurbad Ragaz zu treffen.

Das Kunstrückgabegesetz stellt darauf ab, ob ein Zusammenhang besteht zwischen einer nach dem Kunstausfuhrgesetz bestehenden Ausfuhrbeschränkung und dem Erwerb des Kunstwerks vom Besitzer, der es nicht ausführen kann. Den von mir gesichteten Unterlagen zufolge war im Zuge der gesamten Verhandlungen niemals davon die Rede, dass die Ausfuhr verboten wäre. Das ist auch verständlich, denn die Ausfuhr war ja schon aus rein praktischen Gründen nicht möglich. Im damaligen ramponierten Zustand hätten die Stucktafeln des Frieses niemals transportiert werden können; und für deren Restaurierung fehlte es Lederer an den notwendigen finanziellen Mitteln. Ich glaube auch, dass er an deren Besitz gar nicht interessiert war, sondern dass es ihm, so wie Kreisky, ein Anliegen war, die restaurierten Bilder in Wien zu wissen.

Moralische Grundlage

Aber selbst für den Fall, dass diese Wahrnehmungen nicht korrekt oder relevant sind, muss sich doch die Frage nach der moralischen Grundlage der von Kronsteiner offenbar favorisierten Rückgabe des Frieses stellen. Kreisky, Firnberg, Androsch und Kahane, die den Ankauf vorangetrieben hatten, sie handelten auch im Bewusstsein einer Verantwortung gegenüber den vertriebenen und erniedrigten Mäzenen der österreichischen Moderne. Das wurde zu Kenntnis genommen und in einer durchaus freiwilligen Einigung honoriert. Sie entspricht dem Geist der späteren Washingtoner Deklaration über geraubtes jüdisches Eigentum, mit der faire und gerechte Lösungen solcher offener Fragen gefordert werden.

Demgegenüber ist es nicht vertretbar, dass man sich nun über den Willen Lederers hinwegsetzt, und das zum Nutzen ferner Erben, denen es nicht um Klimt oder die Moderne, sondern nur um Geld geht. Das Kunstrückgabegesetz entsprang dem ethischen Imperativ, Dinge wieder zurechtzurücken, die früher, dem einstigen formalen Recht entsprechend, als korrekt empfunden wurden. Ich halte es für verwerflich, dass man die Absicht des Kunstrückgabegesetzes in sein Gegenteil verkehren, und, so wie es Kronsteiner befürwortet, formalem Recht Vorrang vor der Moral und ethischer Verantwortung einräumen will.

Im Übrigen sind die Empfehlungen, die der Kunstrückgabebeirat am 6. März abgeben wird, nicht verbindlich. Minister Josef Ostermayer kann sie auch ignorieren. (Thomas Nowotny, DER STANDARD, 27.2.2015)