Die Szenen, in denen IS-Militante im Museum in Mossul unter anderem mit Schlagbohrhämmern auf antike Objekte losgehen, erinnerten an die Zerstörung der Buddhastatuen im afghanischen Bamiyan durch die Taliban im März 2001, heißt es. Das stimmt - aber doch ist der Auftritt des "Islamischen Staates" ganz anders. Im Vergleich zu dieser neuen Inszenierung wirkten die Taten der oft als Steinzeitmuslime titulierten paschtunischen Stammeskämpfer tatsächlich "authentisch" - während man angesichts des IS-Videos das Gefühl hat, dass hier ein Kostümstück aufgeführt wird, das weniger mit den Objekten der Zerstörung zu tun hat als mit dem Publikum, an das sich das absurde Filmchen richtet.

Die Zuseher der Botschaften des "Islamischen Staates" sind Teil eines dialektischen Prozesses, der überhaupt nur so, als Medienphänomen, funktioniert. Unser westliches Erschrecken über die Barbarei ist nicht nur erwünscht, sondern ein ganz rationales Ziel. Die Spekulation ist in diesem Fall erlaubt, ob es ohne Publikum die Zerstörung überhaupt gäbe. Immer wieder war in den vergangenen acht Monaten, seit die IS-Milizen Mossul kontrollieren, zu beobachten, dass ihr internes Handeln sehr stark äußere Entwicklungen reflektiert. Im konkreten Fall könnten das die beinahe täglichen Ankündigungen sein, dass die Offensive, um Mossul zu befreien, bald eröffnet wird.

Aber es gibt auch noch andere, interne Botschaften: Das Identitätsnarrativ des Staates Irak, zu dem die vorislamische Geschichte gehört - die auch Saddam Hussein hochhielt -, muss ausgelöscht werden. Da wird Tabula rasa für etwas ganz Neues gemacht, und viele in und außerhalb der Region fragen sich, was das sein wird. Dass auch nicht islamisch gekleidete - oder verkleidete - Personen am Zerstörungswerk mitwirkten, wird die Verschwörungstheorien anheizen.

Die islamistische Rage könnte teilweise auch pragmatische Gründe haben. Die USA bemühen sich, den Antiken-Schwarzmarkt unter Kontrolle zu bringen, um die IS-Geldflüsse zu stoppen. "Kauft - und rettet -, was ihr bekommt", ist eine der Botschaften aus Mossul. Der Handel mit den als polytheistisch verdammten Objekten bringt für die IS auch ein Glaubwürdigkeitsproblem: Es gibt Berichte, dass es eine interne Opposition von Puristen gibt, denen der "Islamische Staat" zu inkonsequent ist. Auch sie werden bedient, wenn nicht mehr geredet, sondern gehandelt wird. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 28.2.2015)