Hendrietta Bogopane-Zulu und Gregor Demblin trafen sich im Wiener Hotel Intercontinental zum Gespräch.

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Ende Februar hat die vierte "Zero Project Conference" im Büro der Vereinten Nationen in Wien stattgefunden. 450 Politiker, Betroffene und Mitglieder von NGOs und Unternehmen aus mehr als 70 Ländern vernetzten sich im Zeichen der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Hendrietta Bogopane-Zulu, stellvertretende Ministerin für soziale Entwicklung in Südafrika, und Gregor Demblin, Mitgründer der Jobplattform "Career Moves", nutzten die Gelegenheit, um die Jobchancen von behinderten Menschen in ihren Ländern zu vergleichen.

derStandard.at: Frau Bogopane-Zulu, Sie sind seit fast 20 Jahren im südafrikanischen Parlament. Wie kamen Sie zur Politik?

Bogopane-Zulu: Politik gehörte zu meinen Gute-Nacht-Geschichten. Meine Eltern waren im Kampf gegen die Apartheid aktiv. Zeitweise waren sie dafür im Gefängnis. Ich wollte daher schon früh Erklärungen haben. Zunächst wollte ich Anwältin werden, dann kam ich über die Bewegung für die Rechte von behinderten Menschen zur Politik.

derStandard.at: Wie viele Menschen mit Behinderungen sind im südafrikanischen Parlament heute vertreten?

Bogopane-Zulu: Dazu muss man vorweg sagen: Wir hatten die Geschichte auf unserer Seite. Alles war im Umbruch. Als das Land nach Ende der Apartheid neu gegründet wurde, haben wir aktiv mitformuliert, wie wir Südafrika haben wollen. Seit 2014 sind elf behinderte Menschen im Parlament vertreten, doch es waren 1999 zum Beispiel schon 21. Wir haben gute Gesetze, aber an der Umsetzung scheitert es teilweise.

derStandard.at: Herr Demblin, wo sehen Sie im Moment politische Versäumnisse bei der Inklusion?

Demblin: Das große Problem sind die Barrieren in den Köpfen der Arbeitgeber. Wir veröffentlichen jedes Jahr die Studie "Chancen-Barometer" über die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Dabei zeigte sich 2014, dass 93 Prozent der Arbeitgeber, die bereits behinderte Menschen eingestellt haben, mit deren Arbeit zufrieden sind.

derStandard.at: Während 70 Prozent der Menschen ohne Behinderung eine Arbeit haben, sind es laut Arbeitsministerium bei Menschen mit schweren Behinderungen gerade einmal ein Drittel. Was läuft falsch?

Demblin: Ein anderes Problem ist der besondere Kündigungsschutz. Nach vier Jahren können behinderte Arbeitnehmer nur noch unter erschwerten Bedingungen gekündigt werden. Es bräuchte vielmehr einen Diskriminierungsschutz.

Bogopane-Zulu: So etwas gibt es tatsächlich in Österreich? Ich sehe das als Nachteil für Behinderte. Wenn jemand seine Arbeit schlecht macht, sollte die Person auch gekündigt werden können.

Demblin: Ich sehe das genauso.

derStandard.at: Welche speziellen Regelungen gibt es für behinderte Arbeitnehmer in Südafrika. Können Sie ein paar Beispiele nennen?

Bogopane-Zulu: Vor Antritt des Jobs hat man die Möglichkeit, seine Behinderung oder Krankheit zu deklarieren. Das liegt aber im freien Ermessen des Arbeitnehmers. HIV-kranke Menschen bekommen zum Beispiel jeden Monat einen halben Tag frei für Arztbesuche. Es gibt auch die Möglichkeit für Behinderte, sich einen Arbeitsplatz zu teilen. Eine Person kommt dann etwa am Vormittag in die Arbeit und die andere Person nachmittags.

Demblin: Das klingt interessant. Eine gute Anregung für Österreich.

Bogopane-Zulu: Aktuell wurde ein Gesetz gegen "Fronting" verabschiedet. Das bedeutet, dass Unternehmen bestraft werden, wenn sie behinderte Arbeitnehmer bezahlen, diese Menschen aber nie dort arbeiten, sondern nur auf dem Gehaltszettel auftauchen, und dadurch staatliche Förderungen eingestrichen werden.

derStandard.at: Was erhoffen Sie sich für die kommenden Jahre?

Demblin: Gesellschaftliche Veränderung muss auch aus der Wirtschaft heraus entstehen. 15 Prozent der Bevölkerung sind behindert, ein Drittel hat zumindest behinderte Verwandte. Die Unternehmen müssen darauf reagieren, wenn sie erfolgreich bleiben wollen. (Julia Schilly, derStandard.at, 6.3.2015)