Es ist nicht leicht, an Severin Corti vorbeizuessen – und wenn's um's Essen geht, besteht dafür ja auch keinerlei Anlass. Kleine, dreckige und dilettantische Gastrokolumnen wie diese suchen sich aber halt dann – mit Ihrer hoch kundigen und herrlich diskussionsfreudigen Hilfe – entferntere Routen für ihre kulinarische Umlaufbahn.

Würstelstände zum Beispiel und Dürümbuden und vegane Hot Dogs und Falafelphilosophien, Torten-Sonderanfertigungen, italienische Speisen und entferntere Reisen, Medienkantinen oder auch Wirtshäuser, die seit Menschengedenken nicht neu waren oder schon lange neueröffnet und beschrieben sind. Denn: Was einmal faszinierend flirrte, muss ja nicht ewig so weiterglühen. Und ohnehin heißt es ja: Journalismus ist Wiederholung. Wobei ich ja diesen Begriff für diese Kolumne niemals zulassen würde.

Aber wenn selbst Profi-Kollege Corti, wie ich gerade im Archiv von derStandard.at entdeckte, einen Chinesen dreimal lobt, dann muss ich endlich auch hin. Liegt der Gute doch so nah wie das Chinarestaurant Nr. 27 in der Ungargasse. Und bietet er doch allerlei innere Werte, wie sie einem kleinen, dreckigen Aushilfs-Esser wie mir gefallen müssen. Wohlan: Aller guten Dinge sind ja vier. In diesem Fall:

Foto: Harald Fidler

Gedünstete Lotoswurzel- sieht nicht nur äußerst unterhaltsam nach Schweizer Klischee aus, nein, schmeckt auch. Jedenfalls wenn man's mit Honig-Osmanthus-Sauce kombiniert und mit Klebreis.

Bisserl süßlich, klar, aber das braucht man eh als neutralisierende Unterlag' für die weitere Speisenfolge.Ich hätte ja auch gern KV8 probiert, aber die gewürzten Weizengluten mit Taglilie und Pilzen sind leider gestrichen. Womöglich, wegen Taglilien-Lieferengpässen.

Foto: Harald Fidler

Spätestens an diesem Punkt war ich – wie meine herrlich unerschrocken essende Wegweiserin Richtung Nummer 27 – ganz froh über den Taglilien-Engpass – jedenfalls, wenn man zu zweien hier isst und trotzdem a bissel was probieren will. Hier nun: A Tribute an die Wunderbare (die diesmal leider nicht dabei sein konnte, aber deshalb noch lange nicht in dieser Ausgabe fehlen darf). Die liebt nämlich Schweinsohren. Gut, sie hat sich ja auch mich ausgesucht, werden sie jetzt sagen. Dieses Schweinsohr ist aspifiziert, um mal ein neues Wort einzubringen, knackt herrlich beim Beißen und schwimmt in einer Chili-Sojsauce, von der man nicht weiter betonen muss, dass sie schon recht scharf ist. Danke, Lotoswurzel!

Foto: Harald Fidler

Mit die besten Nieren auf meiner – auch nicht mehr ganz kurzen – Ess-Bahn: Gebraten, vom Schwein, mit marinierten Chilischoten und Bergpfeffer.

Manche sagen, ja, Schärfe würde mit jedem Bissen ein bisschen abnehmen, man gewöhne sich daran. Hier indes schien sie sich recht stetig weiter aufzubauen – vom Schweinsohr über die Niere zum ...

Foto: Harald Fidler

Schweineblutkuchen, im Prinzip eine äußerst feinöstlich dezente Antwort auf die Blunze, und Rindskutteln in scharfem, laufend hotpotbefeuertem Chili-Öl nach Sichuan-Art. Zunge war übrigens auch dabei und Wurst, die ich nicht unbedingt gebraucht hätte, aber wenn sie schon da war.

"Schon fertig?", fragt der nette Herr Ober im Angesicht der Berge, die wir übrig ließen, übrig lassen mussten. Ich kann schnaufend empfehlen: Nehmen Sie für dieses Programm zumindest einen dritten unerschrockenen Esser mit, besser zwei.Sagen Sie dann einfach nur: KV7 KV9 W9 W14. Mit zwei, drei großen Obi gespritzt zum Beispiel kommen Sie knapp über 50 Euro und zu einem wirklich spannenden, wirklich guten, wirklich scharfen Abend. (Harald Fidler, derStandard.at, 3.3.2015)