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Im Khumbu-Eisbruch ging im vergangenen Jahr jene Lawine ab, bei der 16 Sherpas ums Leben kamen. Nun wird die Route geändert.

Foto: AP/Pasang Geljen Sherpa

Kathmandu/Wien - 16 tote Sherpas waren notwendig, um auf dem Dach der Welt ein Umdenken zu erzwingen. Nachdem im vergangenen April nepalesische Bergführer auf dem Weg zum Mount Everest ums Leben kamen, wurde sogar in der grundsätzlich nicht katastrophenarmen Bergsteigerbranche die Arbeit ausgesetzt. Ein Jahr später haben sich die Bedingungen zwar verbessert, doch liegt vor dem Start der heurigen Saison immer noch vieles im Argen.

Verstärkte Sicherheitsvorkehrungen, höhere Löhne und Versicherungssummen, verbesserte Wetterdurchsagen, Zahlungen für die Hinterbliebenen der Opfer: Die nepalesische Regierung ist vielen Wünschen der Sherpas nachgekommen, um sie nach ihrem Boykott im Vorjahr wieder zur Arbeit zu bewegen. Nun wird auch die Südroute auf den 8848 Meter hohen Mount Everest – wo im vergangenen Jahr im Khumbu-Eisbruch die tödliche Lawine abging – um 40 Meter verschoben.

Die Angst der Sherpas

"Der Weg auf den Gipfel verlängert sich damit um ein bis zwei Stunden, dafür ist er etwas sicherer", zeigt sich Norbu Sherpa im STANDARD-Gespräch vorsichtig zufrieden. Der Nepalese war elf Jahre lang als Bergführer im Himalaya tätig. Nun hat der 35-Jährige sein eigenes Bergexpeditionsunternehmen gegründet und beschäftigt selbst zahlreiche Sherpas: "Viele von ihnen haben Angst. Sie haben Freunde da oben verloren, und nun müssen sie selbst wieder hinauf."

Weshalb die Bergführer trotzdem wieder die Arbeit aufnehmen, ist simpel erklärt: des Geldes wegen. Nepal gilt mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von umgerechnet knapp über 600 Euro als eines der 20 ärmsten Länder der Welt. In der Bergsteigersaison von März bis Mai warten hingegen Löhne von 4000 Euro für unerfahrene Träger bis zu 25.000 Euro für erfahrene Gruppenführer. Und auch die nepalesische Regierung profitiert davon: Der Reise- und Tourismussektor machte im Jahr 2013 9,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Tendenz steigend.

Stau auf dem Mount Everest

Solch enorme Summen lassen die Sherpas auch die Risiken vergessen, die trotz der Bemühungen der nepalesischen Regierung auf den Bergrouten im Himalaya herrschen. Zum einen wäre da der Andrang der Bergsteiger: Jährlich werden mehr als 300 Expeditionen innerhalb von drei Monaten auf den Mount Everest durchgeführt. "Natürlich passt man sich dem Wetter an, und an guten Tagen staut es sich dann auf den Routen", erklärt Norbu Sherpa. Die Folge: Am Berg montiertes Equipment wie Leitern wird überstrapaziert, außerdem kommt es oft zu Konflikten zwischen verschiedenen Expeditionsgruppen, was das Risiko für Unfälle erhöht.

Zudem hat die Regierung zwar mit bis zu 25 Kilogramm ein Limit festgelegt, wie viel ein Sherpa auf einer Bergtour tragen darf. Doch sind immer noch viele mit deutlich mehr Gepäck unterwegs. "Die Leitern gehen teilweise über eine Höhe von 40 Metern. Mit dem Übergepäck gefährdet man nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen Gruppenteilnehmer", warnt Norbu Sherpa.

Seine Forderungen: strikte Einhaltung des Gepäcklimits und eine Begrenzung von 200 Expeditionen jährlich. Doch er weiß: Weniger Bergsteiger und weniger Gepäck bedeutet auch weniger Geld für die Sherpas, die mit diesem riskanten Job ihre Familien für den Rest des Jahres durchbringen müssen und gleichzeitig ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen wollen: "Kein Sherpa will, dass seine Kinder einmal die gleiche Arbeit machen." (Kim Son Hoang, DER STANDARD, 3.3.2015)