In Zukunft dürfte dies ein gewohnter Anblick werden: Microsoft-Apps auf Android - und zwar bei mehreren Geräten gleich vorinstalliert.

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Satya Nadella scheint ein deutlich entspannteres Verhältnis zu Android und iOS zu haben als sein Vorgänger.

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Mit dem Nokia XL hat Microsoft aktuell ein eigenes Android-Smartphone im Angebot - dabei handelt es sich derzeit aber "nur" um eine Altlast aus der Nokia-Übernahme.

Grafik: Microsoft

Mit einer eigenen Presseveranstaltung präsentierte sich Microsoft im Rahmen des Mobile World Congress (MWC) in Barcelona durchaus standesgemäß. Und doch: Die wohl bedeutsamste Neuerung erwähnte man dabei mit keinem Wort. Erstmals hat das Unternehmen Abkommen mit Android-Herstellern geschmiedet, um die eigenen Apps auf deren Geräte zu bringen. Sowohl Samsungs Galaxy S6 als auch Sonys Xperia Z4 Tablet sollen mit einer Reihe von Microsoft-Apps ausgeliefert werden.

Umdenken bei Microsoft

Ein Akt, der nicht zuletzt symbolisiert, wie sehr sich das Denken bei Microsoft unter der Führung von Satya Nadella verändert hat. Setzte das Unternehmen lange all seine Hoffnungen darin, über die eigenen Services Windows Phone pushen zu können, hat man sich von dieser Illusion mittlerweile verabschiedet. Gleichberechtigter Support für alle wichtigen Betriebssysteme heißt die neue Strategie, die ganz darauf abzielt, möglichst viele Nutzer für firmeneigene Dienste wie Office 365 zu erreichen.

Android und iOS wandern in den Fokus

Was dieses Umdenken in der Realität bedeutet, haben die letzten Monate bereits eindrucksvoll gezeigt: Office für iOS und Android wird mittlerweile mit gehörigem Nachdruck vorangetrieben, selbiges gilt für andere Apps wie OneDrive oder OneNote. Und wo man selbst so schnell nichts konkurrenzfähiges aufstellen kann, übernimmt man schlicht passende Dritthersteller. Zuletzt war dies der Sunrise Calendar, davor Acompli, das mittlerweile als Outlook für Apples und Googles Betriebssysteme neu veröffentlicht wurde.

Perspektiven

Doch während bei iOS durch die strikte Kontrolle von Apple der Einfluss von Microsoft enden wollend ist, hat der Softwarekonzern für Android offenbar noch größere Pläne. Frei nach dem Motto "if you can't beat them, join them" testet Microsoft gerade aus, wie weit man in das von Google dominierte Ökosystem vordringen kann. Es ist wohl davon auszugehen, dass die aktuellen Deals mit Sony und Samsung nicht die letzten ihrer Art bleiben werden.

Ein einträgliches Geschäft

Es ist davon auszugehen, dass sich Microsoft die Vorinstallation einiges kosten lässt, gibt es eine solche fixe Platzierung auf Smartphone oder Tablet doch üblicherweise nicht kostenlos. Und sei es nur in Form eines Nachlass bei den sonst anfallenden Lizenzgebühren. Zahlen doch bisher praktisch alle Android-Hardwareanbieter pro Gerät zwischen 5 und 15 US-Dollar an Microsoft. Die zahlreichen Patente des Unternehmens haben sich hier im wörtlichen Sinne bezahlt gemacht. Samsung hatte sich zuletzt gegen diese Abmachung gewehrt - und erst vor wenigen Wochen eine Einigung mit Microsoft erzielt. Dass die Vorinstallation der Apps Teil des außergerichtlichen Vergleichs war, ist zwar nicht bestätigt, diese Schlussfolgerung drängt sich aber geradezu auf.

Spurensuche

Dass damit aber noch längst nicht das volle Ausmaß von Microsofts Ambitionen im Android-Umfeld erreicht sein muss, verdeutlicht ein weiterer aktueller Bericht. So soll das Unternehmen vor kurzem 70 Millionen US-Dollar in die Firma CyanogenMod investiert haben. Der Android-Firmware-Hersteller hatte nur wenige Tage zuvor vollmundig angekündigt, Android dem Griff von Google entreißen zu wollen. Das bedeutet freilich nicht automatisch, dass Microsoft an einer eigenen Android-Variante interessiert ist. Unvorstellbar ist dies allerdings auch längst nicht mehr.

Implementationsdetails

In der aktuellen Micosoft-Strategie ist die mobile Version von Windows längst nur mehr ein Implementationsdetail. Das Ziel die eigenen Angebote möglichst gut zu präsentieren, könnte man auch mit einem eigenen Android-Fork verfolgen. Die Google-Dienste würden in so einem Fall durch Microsoft-Apps ersetzt, von der Entwicklungskraft des Konkurrenten könnte man trotzdem profitieren, übernimmt dieser doch praktischerweise beinahe die gesamte Betriebssystementwicklung.

Herausforderungen

Um das klar zu machen: Solch ein Schritt hätte natürlich auch so seine spezifischen Herausforderungen. Immerhin müsste Microsoft Ersatz für diverse Schnittstellen finden, die Google in seinen Play Services versammelt. Dass dies durchaus möglich ist, hat schon Amazon bewiesen, Microsoft dürfte mit seiner Vielfalt an verfügbaren Services für diese Herausforderung sogar noch deutlich besser gerüstet sein.

Über geheime Abmachungen

Schwerer wiegen da schon die - streng geheimen - Abmachungen zwischen Google und seinen Partnern in der Open Handset Alliance. Sollen diese doch allen Beteiligten eine Kooperation mit Android-Forks explizit untersagen - was schon Amazon bei seiner Suche nach Partnern für das Fire Phone ernsthafte Probleme beschert haben soll. Eingesessene Hardwarehersteller wie Samsung für so ein System zu gewinnen, könnte also schwer werden. Das würde Microsoft freilich nicht davon abhalten, eigene Smartphones zu mit "seinem" Android zu produzieren, immerhin hat man durch die Übernahme von Nokia alle nötigen Ressourcen in der Hand. So könnte Microsoft eine Art Anti-Nexus herausbringen, mit dem man das eigene Ökosystem ins beste Licht rückt - und das doch kompatibel zur dominierenden Android-Welt bleibt.

Disclaimer

Es sei noch einmal betont: Spruchreif ist die Idee eines eigenen Microsoft-Android natürlich (noch) nicht. Aber angesichts der aktuellen Ausrichtung von Microsoft wäre es geradezu überraschend, würde sich das Unternehmen die Android-Option nicht zumindest offen lassen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 3.3.2015)