Vom "größten Wahlschwindel" aller Zeiten zu sprechen, wie das der grüne Volker Plass tut, ist wohl etwas dick aufgetragen. Schließlich kann jeder Funktionär, der bei der Wirtschaftskammerwahl gewählt wurde, sein Mandat in den nächsten fünf Jahren auch ausüben. Dennoch ist es befremdlich, wie groß der Spielraum bei der Darstellung der Kräfteverhältnisse ist.

Listen, deren Namen keinerlei Hinweis auf eine der großen Fraktionen liefern, können sehr wohl von diesen eingebracht worden sein. Gemeinsam von mehreren Parteien aufgestellte Listen können am Ende nur einer Fraktion zugeordnet werden. Vom Kammergesetz her mag das gedeckt sein. Aber ist das im Sinne jener Unternehmer, die möglicherweise explizit eine parteiunabhängige Gruppe wählen wollten? Wohl kaum. Noch absurder ist die Möglichkeit, seine Stimmen überhaupt einer anderen Fraktion quasi schenken zu können, wie das der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender mit dem Wirtschaftsbund tat. Das öffnet windigen Abtauschgeschäften nach dem Wahltag Tür und Tor und ist außerdem eine Desavouierung der Wähler.

Ein transparenteres Wahlsystem wäre daher höchst an der Zeit. Auch der Wirtschaftsbund - die mit Abstand stärkste Gruppierung - kann kein Interesse daran haben, dass niemand das Wahlergebnis durchschaut. Ohne Reformen im eigenen Bereich wird schnell wieder der Ruf nach dem Ende der Pflichtmitgliedschaft aufkommen. (Günther Oswald, DER STANDARD, 4.3.2015)