Wie viel Miete ein Hausherr im Altbau verlangen kann, hängt oft von Umständen ab, die nichts mit der Wohnung zu tun haben.

Foto: Matthias Cremer

Wien - Wer Wohnungen baut, schafft bekanntlich Arbeitsplätze. In Österreich sorgen auch bestehende Wohnungen für viel Beschäftigung, vor allem für Juristen und Sachverständige. Das Wohnrecht, und hier vor allem das Mietrecht, ist so zersplittert und kompliziert, dass es bei einer Wohnung fast immer mehrere Experten braucht, um den angemessenen und vor allem rechtlich korrekten Mietzins festzustellen.

Das lässt sich durch eine Wohnrechtsreform verbessern, ohne dass man dabei unbedingt die ideologisch besetzten Streitpunkte löst. Das sei auch die wichtigste Zielsetzung des SPÖ-Entwurfs für eine Wohnrechtsreform, betonte Nadja Shah, Bundesgeschäftsführerin der Mietervereinigung. "Bei der Miete geht es um Substanzerhaltung, Werterhaltung und einen Teil, der die Leistung belohnt", sagte sie. "Das Konzept eines Universalwohnrechts ist gar nicht so übel." Nun liege es an der ÖVP, einen Gegenentwurf vorzulegen, "und dann können wir auf fairer Basis zu einer Wohnrechtsreform kommen".

"Geschäftsraummieten raus"

Aber was soll in dieser Reform konkret geändert werden? Andreas Vonkilch, Professor für Zivilrecht an der Universität Innsbruck, spricht mehrere Punkte an, die abseits der Frage von Mietzinsbegrenzungen dringend geändert werden müssen. So sei es absurd, dass derzeit "der rechtliche Schutz der Angehörigen eines Wohnungsmieters bei dessen Tod davon abhängt, wie viele Nachbarn man gehabt hat". Beim geltenden Richtwertsystem sei es für die Mietzinsbildung entscheidend, "ob die Häuser in der Nachbarschaft überwiegend zwischen 1870 und 1917 errichtet wurden und die damaligen Wohnungen Substandard gewesen sind".

Und schließlich sei es falsch, dass Geschäftsräume im Altbau, die zu Wohnungen umgewandelt werden, im Richtwertsystem drinnen sind. Dies verhin- dere die Schaffung von neuem Wohnraum. "Man sollte zumindest die gröbsten Blödheiten im geltenden Recht reformieren", so Vonklich.

Er lässt auch kein gutes Haar am SPÖ-Modell, das für Altbauwohnungen von einer Grundmiete von 5,50 Euro pro Quadratmeter ausgeht und bestimmte Zuschläge definiert. Eine 90-Quadratmeter-Wohnung in der mondänen Wiener Wollzeile dürfe daher nicht mehr als knapp 500 Euro im Monat kosten.

Altverträge als Übel

Für Justiz-Sektionschef Georg Kathrein ist es ein Ärgernis, dass man in Streitfragen oft jahrzehntealte Unterlagen über ein Wohnhaus braucht, und "am Ende entscheidet ein Sachverständiger". Er würde sich wünschen, dass Richter wieder mehr Spielraum für faire Entscheidungen hätten. Ein Problembereich sei auch die Betriebskostennachforderung bei Mieterwechsel. Die Möglichkeit, in günstige Altverträge einzutreten, hält Kathrein für problematisch. "Vertragsverhältnisse, die anfangs berechtigt waren, haben sich ins Gegenteil gekehrt. Verträge sind zwar einzuhalten, aber das führt zu Schieflagen und Ungleichgewichten."

Auch Michael Pisecky, Geschäftsführer de sREAL und Obmann der Fachgruppe Immobilien in der Wirtschaftskammer, sieht die Altverträge als eine der Ursachen für Wohnungsknappheit. Ältere Menschen würden zu große Wohnungen für wenig Geld bewohnen und hätten keinen Anreiz, in kleinere Einheiten umzuziehen. "Da gibt es Sperren, die eine sinnvolle Verteilung blockieren", sagte er. Selbst wenn solche Wohnungen frei werden, werden sie nicht geteilt, weil man dann nach dem Richtwertsystem weniger Miete verlangen könnte.

Aufstockungen erwünscht

Eine gute Chance für eine Erhöhung des Wohnangebots in Wien sieht Pisecky im Ausbau von Dachgeschoßen. "Wir könnten 80.000 Wohnungen auf den Dächern bauen lassen", sagte er. "Wir bauen dort zwar teurer, aber insgesamt doch billiger, weil die U-Bahn, die Schulen und die Geschäfte schon da sind. Wir wollen mehr Stadt: Auch in Innsbruck wurde zu wenig dicht gebaut und zu viel Fläche vergeudet."

Für Meinungsforscher Günther Ogris vom Sora-Institut muss es in der Wohnpolitik auch um die Qualität der Umgebung gehen. "Ziel muss sein, Wohngegenden zu schaffen, die keine Probleme machen und eine hohe Lebensqualität bieten. Dies ist vor allem für Kinder wichtig." Ein gutes Beispiel sei Salzburg, wo die Mieten zwar hoch sind, "aber die Lebensqualität so gut, dass die Salzburger hochzufrieden sind".

Veränderter Lebensstil

Doch die Bedürfnisse wandeln sich, betonte die Architektin Renate Hammer, Sprecherin der Plattform Baukultur. Und die heutigen Kriterien seien nicht zeitgemäß. "Vieles im Gesetz entspricht nicht mehr unserem Lebensstil", sagte sie und verwies auf Patchworkfamilien mit zwei Kindern während der Woche und fünf am Wochenende. Vor allem aber müsste man "die strenge Separierung von Wohnen und Arbeiten auflösen", forderte Hammer - auch weil viel Büroraum derzeit leersteht und Wohnraum fehlt.

Ob die deutsche Wohnpolitik ein Vorbild ist oder nicht, darüber gingen die Meinungen auseinander. Bernd Rießland, Vorstandsmitglied der Sozialbau, verwies auf die Abschaffung der Gemeinnützigkeit in Deutschland in den 1990er-Jahren. "Als Folge haben sie eine höhere Subjektförderung als wir im gesamten Förderbereich" und dennoch eine schlechtere Wohnversorgung. Vonkilch hält die nunmehr beschlossene Mietpreisbremse zwar für einen "Rohrkrepierer", blickt aber sonst neidisch nach Norden. "In Deutschland findet man kein unsinniges Stichtagswesen und keine intransparenten Kriterien. Wenn man mit einer Gesamtreform bei uns nur bis München kommt, dann würde man schon viele Sektkorken knallen hören." (Eric Frey, DER STANDARD, 4.3.2015)