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Donatella Versace schickt unter anderem Capes mit farblich passenden Overknees und Sonnenbrillen über den Laufsteg. Ihre Kollektion hat Signalwirkung. Sie spielt mit starken Farben und Symbolen aus der digitalen Welt.

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Salma Hayek kam mit solidarischer Baskenmütze zur Schau von Gucci.

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Auch für die Besucher der Modewoche war es nicht zu übersehen: Mailand gleicht gerade einer Baustelle. Zumindest unterirdisch. Denn da werden die Metros zwei Monate vor Beginn der Expo im Mai auf den allerletzten Metern aufgeputzt.

Wie mit den Umbauarbeiten, Baustellen und Umleitungen am Bahnhof Milano Centrale verhält es sich auch ein Stück weit mit der Modewoche: Neuanfänge, Designer-Abgänge, das Mailänder Modekarussell hält nicht still, dreht sich aber vor allem um sich selbst. Wo es hingehen soll? Ist wie bei Pucci, wo der Norweger Peter Dundas seine letzte Kollektion zeigte, an so mancher Stelle unklar.

Beim Unternehmen Gucci ist immerhin nach dem Abgang des Power-Couples, der Designerin Frida Giannini und ihres Mannes, des Geschäftsführers Patrizio di Marco, ein Anfang gemacht. Dort ist jetzt ein unbekannter Designer aus der zweiten Reihe dran. Der 42-jährige Alessandro Michele wischte die Handschrift seiner Vorgängerin Frida Giannini vom Tisch. In die Vergangenheit schaute Alessandro Michele anlässlich seines Neuanfangs trotzdem.

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Gucci: nostalgisch.
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In kürzester Zeit entwarf er für kommenden Herbst eine verträumte, eine schräg nostalgisch anmutende Kollektion, die nur zu gern mit den Bildwelten eines Wes Anderson verglichen wurde: Aber ob Schluppenblusen, Lederfaltenröcke, Pullunder, Blumendrucke, Bienenmotive, Baskenmützen und nerdige Brillen das Luxusunternehmen wieder zu einem umsatzstarken Zugpferd für das Mutterschiff Kering machen werden? An zur Schau getragener Begeisterung für die neue Ausrichtung von Gucci mangelte es nicht: Salma Hayek, Filmstar und Ehefrau von Kering-Boss François-Henri Pinault, ließ ihre türkisblaue Baskenmütze auf dem Kopf wie eine Solidaritätsbekundung aussehen.

Emojis und Hashtags

Nur einer, der rümpfte publikumswirksam das Näschen: der 81-jährige Karl Lagerfeld, der sofort begriff, dass da ein Thema in der Luft lag. Er schaue bei Fendi ausschließlich in die Zukunft und habe nicht vor, einen Flohmarkt zu veranstalten, kommentierte er mit Blick auf den vierzig Jahre Jüngeren bei Gucci. Das Pelzhaus Fendi habe sogar in Paris eine Couture-Kollektion in Planung. Auch Donatella Versace, die in wenigen Monaten 60 wird, will ganz offensichtlich den Anschluss nicht verlieren. Das Label nahm mittels schimmernd aufgestickter Hashtags, @-Zeichen und Emojis mit den Jüngeren Kontakt auf. Diese Rechnung könnte mit den knalligen Primärfarben und selbstbewusst eingesetzten Initialen und Versace-Schriftzügen sogar aufgehen. Und Giorgio Armani? Der wollte anlässlich seines 40-jährigen Firmenjubiläums auch keine Retrospektive veranstalten. Zumindest nicht auf dem Laufsteg. Auf diesem zeigte er lose Bubikrägen, gut drei Viertel der 80 gezeigten Silhouetten basierten auf Hosen.

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Armani: ganz straight.
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Die Hosen-Strategie fuhr auch Tomas Maier, der bei Bottega Veneta den Ballettanleihen der letzten Saison geometrische Muster und kantige Schultern folgen ließ.

Doch in Sachen Rückblick gilt bei Armani: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Den Blick zurück wird der Designer im Rahmen seines Ausstellungsprojektes "Armani Silos" ganz groß inszenieren. Dieses ist rund 50 Millionen Euro schwer und soll zu Beginn der Expo in einer ehemaligen Nestlé-Fabrik gegenüber dem Mailänder Hauptquartier eröffnet werden.

Auch die anderen Platzhirsche wollen die Synergieeffekte der Weltausstellung nutzen und geben Gas. Prada lässt in der Nähe des Bahnhofs Porta Romana auf 19.000 Quadratmetern ein Kulturareal entstehen - inklusive Bar, gestaltet von Wes Anderson, dessen schrullige Ästhetik gerade hoch im Kurs ist. Und die Prada-Herbstkollektion? Miuccia Prada injizierte mittels eines zuckerlsüßen Pastellschocks eine ironische Giftspritze.

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Prada: mädchenhaft.
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Die Models liefen zu Disneys Filmmusik Fantasia durch eine softe Kulisse, bestehend aus einer Raumfolge in hellem Grün und pastelligem Rosa. Die Mode? Eine kunstvolle Gemengelage aus knappen Minikleidchen mit hochgezogener Empiretaille, den Pastelltönen der Fünfziger, aufgesetzten Schleifen, Broschen, langgezogenen Krägen und verkürzten, leicht ausgestellten Hosen der Endsechziger. Miuccia Prada spielte wieder einmal das kleine Einmaleins des schönen Scheins und simplen Seins durch: Mäntel waren täuschend echt mit Tweedstrukturen bedruckt, stehfestes Neopren entpuppte sich als doppelseitiger Jersey.

Retro-Rezepte

Der dezidierte Blick zurück war vor allem in den Shows der mittleren Designer-Generation zu beobachten. Bei Etro und Ferragamo wurde klein- und großteilig gepatch- workt, und Consuelo Castiglioni hat bei Marni ganz offensichtlich an ihre eigenen Anfänge Mitte der Neunziger angeknüpft. Für den kommenden Herbst hat sie jede Menge Pelz zerlegt und als aufgesetzte Taschen, haarige Ärmel, üppige Krägen, ärmellose Westen in der Kollektion verarbeitet. Dazu Rollkrägen und handtellerbreite Gürtel, alles Retro-Zutaten, auf die auch die anderen Häuser gern zurückgriffen.

Bei Jil Sander ließ Rodolfo Paglaialunga in seiner zweiten Saison nicht nur Röcke, Kleider, Mäntel in der Mitte des Unterschenkels enden. Unter den Rollkrägen lugten fein gefältelte Steh- und andere Krägen in Rosa, Türkisblau, Limonengrün hervor.

Die Baustellen der Modewoche offenbarten sich allerdings ganz woanders. Nämlich da, wo die große Show abgezogen wurde. Dolce & Gabbana inszenierten einen vorgezogenen Muttertag, Motto: "Viva la Mamma!" Da wurden zum Entzücken des Publikums Babys über den Laufsteg getragen, eine Schwangere stakste über den Laufsteg, aus den Boxen tönte Mama von den Spice Girls, beim Hit Viva la Mamma von Edoardo Bennato ging das Publikum richtig mit. Das begeisterte Hochhalten der lieben Kleinen mag darüber hinwegtäuschen, dass es mit der Förderung des italienischen Modenachwuchses nicht weit her ist.

Arthur Arbesser: burschikos.
Foto: Arthur Arbesser

Der junge österreichische Designer Arthur Arbesser, seit vielen Jahren in Mailand lebend, hat schon Konsequenzen gezogen. In seiner aktuellen Kollektion verarbeitet er festen österreichischen Loden neben silbern schimmerndem Moiré und verweist in geometrischen Mustern auf die Wiener Werkstätte. Für seine Präsentation organisierte er aus Wien historische Stühle, einige großflächige Werke von Hermann Nitsch und ein Klavier. Sein gerade in der zweiten Runde für den LVMH-Nachwuchspreis gelandetes Label? Ist mittlerweile neben dem Mailänder Showroom auch in Wien angesiedelt. (Anne Feldkamp aus Mailand, DER STANDARD, 4.3.2015)