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Paul Breitner, personifizierter Klartext.

Foto: ap/meissner

München – Paul Breitner attestiert dem Fußball im Zuge der jüngsten Doping-Enthüllungen eine "seit Jahren gelebte verlogene Mentalität". "Ich habe als Aktiver und auch nach meiner Karriere immer gesagt, dass im Fußball gedopt wird", sagte der langjährige Profi und heutige Markenbotschafter von Bayern München der Tageszeitung "tz".

Dass es im Fußball in der Vergangenheit nur vereinzelte Dopingskandale gab, erklärt sich der 63-Jährige so: "Fußball ist eine heilige Kuh, die nicht angekratzt werden darf." Er freue sich deshalb angesichts der Berichte über angebliches Doping beim VfB Stuttgart und dem SC Freiburg in den 1970er- und 1980er-Jahren, "dass endlich rauskommt, dass auch im Westen gedopt wurde". Breitner: "Zu meiner aktiven Zeit hat man mit erhobenem Finger in den Osten gezeigt und gesagt: Die sind voll wie eine Haubitze. Und wir nicht? Pustekuchen!"

Deshalb steht für den Weltmeister von 1974 fest: "Wir sollten zu dieser Dopingvergangenheit stehen, und fertig. Heute sind wir dopingfrei, das können wir sagen." Er selbst habe Doping "nie probiert", das habe ihm seine gute Erziehung verboten, und auch Angebote will Breitner nicht erhalten haben: "In meiner Sturm-und-Drang-Phase wäre ich demjenigen an die Gurgel gesprungen."

Dass im Zuge der Berichterstattung über den verdächtigen Mediziner Armin Klümper auch sein Name genannt wird, ärgere ihn, so Breitner. Er sei nur einmal bei Klümper gewesen. "Aber nicht, weil er ein Doping-Papst war", sondern weil Klümper ihm nach einer Meniskusverletzung als Spezialist empfohlen worden sei.

"Irgendwelche Sachen"

Hingeworfene Nebensätze von Altstars hatten schon in der Vergangenheit ein Zipfelchen des Teppichs gelüftet, unter den das Thema zumeist gekehrt ist. Franz Beckenbauer sprach in einem ZDF-Interview im August 2013 von "Vitaminspritzen" und offenbar blindem Vertrauen in die Ärzte. Auch Bernd Schuster berichtete von "irgendwelchen Sachen", die von Ärzten verabreicht wurden.

Das Unrechtsbewusstsein, das inzwischen junge Profisportler von illegalen leistungssteigernden Substanzen fernhalten soll, "war ein anderes als heute", sagte der Dopingexperte Fritz Sörgel im ZDF-"Morgenmagazin". Der Pharmakologe ist seit kurzem Mitglied der Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin, deren vorzeitig veröffentlichte Ergebnisse am Montag für Aufsehen gesorgt hatten.

"Fairerweise muss man sagen", betont Sörgel, "dass im Fußball bisher keine spektakulären Fälle aufgetreten sind, sodass man mit irgendwelchen Verdächtigungen sehr vorsichtig sein muss." Die Vergangenheit aber sei "ein ganz anderes Kapitel".

"Die Fußballer haben auch kräftig experimentiert", sagt Sörgel beispielsweise über die Praxis mit dem Stimulans Captagon: "Das war über drei, vier Jahrzehnte einfach etwas, was nebenher lief. Was die Fußballer angewendet haben, um am nächsten Sonntag wieder spielen zu können."

Alte Geschichten

Vorwürfe gab es im Fußball immer wieder, auch gegen die deutschen Weltmeister von 1954 und das Beckenbauer-Team von 1966. Faktum ist, dass etliche WM-Helden von Bern nach dem Turnier an Gelbsucht erkrankten. Über die WM zwölf Jahre später in England wurde wegen des Nachweises von Ephedrin bei mindestens drei Nationalspielern diskutiert. Damals sollen es die Folgen von Nasenspray gewesen sein, heute wäre es ein Dopingvergehen.

Über unerlaubte Mittelchen von damals wird aber größtenteils beharrlich geschwiegen, Kontrollen waren kaum vorhanden. Dass Doping im Fußball nichts bringt, ist sportmedizinisch jedenfalls längst widerlegt. Der Dopingforscher Perikles Simon, ebenfalls Mitglied der Freiburger Untersuchungskommission, begründet das Wegschauen damit, dass niemand das lukrative System Fußball zum Einsturz bringen wolle. Die Kontrollen seien ineffektiv. Der Fußball müsse dringend seine Selbstreinigungskräfte mobilisieren, forderte Simon: "Es war schon immer so, dass ab einer gewissen Dekadenz auch große Systeme zerbrochen sind." (sid, red, 5.3.2015)