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200.000 Österreicher neigen zu exzessivem Trinken.

Foto: APA/dpa-Zentralbild/Patrick Pleu

Wien/Grundlsee – Wenn es um Abhängigkeit und Sucht geht, schlägt in Österreich der Alkohol alles. Rund 200.000 Menschen neigen zu exzessivem Trinken. Das hat eine neue repräsentative Umfrage (GfK) ergeben, die am Wochenende beim Interdisziplinären Symposium zur Suchterkrankung am Grundlsee in der Steiermark präsentiert wird.

"Illegale Drogen und Glücksspiel spielen dazu im Vergleich in der Praxis eine geringere Rolle", sagte Tagungsorganisatorin Gabriele Fischer von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Med-Uni Wien im AKH. Das Symposium mit rund 150 Teilnehmern – vor allem Allgemeinmediziner und Psychiater werden erwartet, ebenso Fachleute aus der Justiz – solle auch dazu beitragen, eine Qualitätsverbesserung in der Betreuung von Suchtkranken in Österreich in die Wege zu leiten.

Am wichtigsten jedenfalls wären die Prävention des massiven Alkoholkonsums in Österreich und die Betreuung von Risikopersonen für Alkoholabhängigkeit und die Behandlung der bereits Alkoholkranken. Das belegen neue Zahlen aus einer im vergangenen Jahr mit 4.000 Teilnehmern im Alter von mehr als 15 Jahren durchgeführten repräsentativen Umfrage, die Rudolf Bretschneider vom Marktforschungsinstitut GfK Austria vorstellen wird.

1,1 Liter mehr als der EU-Durchschnitt

OECD-Zahlen zufolge trinkt die österreichische Bevölkerung um 1,1 Liter mehr Alkohol als der EU-Durchschnitt, nämlich 12,2 Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr. Österreich reiht sich damit im EU-Vergleich unter die drei Länder mit dem höchsten Alkoholkonsum und wird nur von Litauen (12,7 Liter) und Estland (12,3 Liter) übertroffen. Das klassische Weinland Frankreich liegt mit 11,8 Litern Alkohol pro Kopf hinter Österreich, Italien ist mit 6,1 Litern beim halben Wert Österreichs.

"Selbst wenn solche Vergleichsdaten mit Vorsicht zu genießen sind: Fakt ist jedenfalls, dass der Alkoholkonsum hierzulande hoch und in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt ist. Das zeigt auch unsere Studie ganz deutlich", so Bretschneider. So gab im Rahmen der GfK-Erhebung nur jeder Zehnte an, in den vorangegangenen zwölf Monaten nichts getrunken zu haben. 39 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen trinken Alkohol zwei- bis dreimal pro Woche oder öfter. Nur jeder Dritte behauptete, nur einmal im Monat zum Glas gegriffen zu haben. Umgekehrt berichteten neun Prozent, mindestens zweimal pro Monat deutlich alkoholisiert gewesen zu sein. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung über 15 wären das 650.000 Menschen.

Auch übermäßiger Alkoholkonsum ist den Studiendaten zufolge mehr als präsent: Knapp die Hälfte berichtete von Personen in ihrem Lebensumfeld, die ihrer Meinung nach zu viel trinken. Sechs Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen, die in den vorangegangenen zwölf Monaten mehrmals pro Woche Alkohol getrunken hatten, geben an, dass sie mindestens zweimal pro Woche sechs oder mehr Gläser bei einer Gelegenheit getrunken hätten.

200.000 Österreicher trinken exzessiv

"Auf die Bevölkerung umgelegt heißt das: 200.000 Personen praktizieren mit gewisser Regelmäßigkeit, was in Großbritannien bereits für beide Geschlechter unter 'Binge Drinking', also 'exzessives Trinken' fallen würde", so Bretschneider. Nach Beschäftigung betrachtet sei die Gruppe der Arbeitslosen mit sieben Prozent und der un- oder angelernten Arbeiter mit sechs Prozent besonders gefährdet.

Die regelmäßig aufbrechende "Komasaufen"-Debatte, in der vor allem Heranwachsende und Jugendliche als Übeltäter ausgemacht werden, ist laut den Umfrageergebnissen zu einem guten Teil falsch "lokalisiert". Anders als Medienberichte vielfach suggerieren, kann das exzessive Trinken laut GfK-Studie nicht primär den jüngeren Altersgruppen zugeordnet werden. "Durchschnittlich sind es drei Prozent in allen Altersgruppen, die wiederholt im genannten Ausmaß über die Stränge schlagen, die Älteren machen das aber eher im privaten Rahmen", sagt Bretschneider.

Weniger Kontrolle bei Jugendlichen

Die Studie legt außerdem nahe, dass jüngere Menschen in Österreich seltener trinken, aber weniger kontrolliert mit Alkohol umgehen können. Nur sechs Prozent der Generation Z (15 bis 18 Jahre) sagten beispielsweise, in den letzten zwölf Monaten mehrmals pro Woche Alkohol getrunken zu haben – bei der 68er- und der Kriegsgeneration war es dagegen mehr als ein Drittel. Umgekehrt erklärten jeder zehnte 15- bis 18-Jährige und jeder fünfte 19- bis 38-Jährige, in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens zweimal pro Monat deutlich alkoholisiert gewesen zu sein.

Breiterer Cannabis-Zugang als Ziel

Bei dem Symposium gibt es auch eine Podiumsdiskussion mit Justizexperten zum Thema "Cannabistherapie". Organisatorin Fischer: "Hier geht es um die Frage, was Cannabis zum Beispiel in der Schmerztherapie kann. In Deutschland wird es ab 2016 offenbar Marihuana auf Verschreibung geben. In den USA ist es in rund 20 Bundesstaaten zugelassen worden." Der breitere Zugang von Patienten, zum Beispiel Personen mit chronischen Schmerzen, in Deutschland soll auch durch die Krankenkassen ermöglicht werden.

Laut der Psychiaterin ist auch zu diskutieren, was eine Erhöhung der Grenzmengen für den Besitz von Marihuana und Ähnlichem bringen könnte. Ein Großteil der Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz entfällt nämlich auf den Besitz geringer Mengen. (APA, 6.3.2015)