Wer zusammengesunken sitzt wie ein Depressiver, verfällt auch leichter in negative Stimmung, wer aufrecht geht, kann sich besser positive Dinge merken – das Wechselspiel Körper und Seele zeigt sich auch in unserer Körperhaltung.

In den letzten zehn Jahren hat sich der Ansatz der achtsamkeitsbasierten Psychotherapie in der Behandlung von Depressionen bewährt. Immer gehe es darum, seinen Körper wahrzunehmen, seine Aufmerksamkeit zu lenken, nicht auf die Vergangenheit, nicht auf die Zukunft, sondern auf den einen Moment, der jetzt gerade stattfindet.

Keine Bewertungen

"Es geht nicht um eine Bewertung, sondern darum, genau von Bewertungen wegzukommen, sie loszulassen. Depressive verfallen ja immer wieder in diese Grübelprozesse und versinken geradezu darin", sagt Psychotherapeut Johannes Michalak von der Uni Witten/Herdecke.

Die Therapie fängt immer mit einem Element aus der Meditation an. Man liegt auf dem Boden und richtet seine Aufmerksamkeit zuerst auf die Zehen. Dann lässt man sie durch den ganzen Körper wandern. Oder man sitzt und richtet seine Aufmerksamkeit auf die Atmung und immer, wenn man mit seiner Aufmerksamkeit abschweift, kehrt man wieder geduldig zur Atmung zurück, so Michalek.

Diese fokussierte Achtsamkeit könne helfen, das beginnende Abdriften zu negativen Gedanken deutlich wahrzunehmen und sich durch das Ausrichten der Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt wieder davon zu lösen, so der Psychotherapeut.

Verändertes Gangbild

Wie Körper und Seele zusammenhängen, erforscht Michalak auch grundlegend. Mit einem Kollegen aus Kanada filmt er mit Infrarot-Kameras etwa Gangmuster. "Wir haben uns für die Bewegungsmuster von Depressiven interessiert und diese mit einer komplexen Technologie analysiert", so Michalak.

In einer Nachfolgestudie haben die Forscher dann über technische Feedbacksysteme Studierende mit Hilfe dieser Daten dazu gebracht, entweder fröhlicher oder depressiver als normal zu gehen. Die Ergebnisse: Wer mit hängenden Schultern dahinschlurft, wird sich bei einem unangekündigten Test der Merkfähigkeit eher an negative Dinge erinnern, wer fröhlich läuft, kann sich eher positive Dinge merken.

Auch bei Menschen, die in einem Krankenhaus wegen ihrer akuten Depression behandelt wurden, ergab eine Studie ein ähnliches Bild: Wer zusammengesackt sitzt, kann sich bei einem Gedächtnistest eher die negativen Worte merken, wer aufrecht sitzt, mehr positive.

Direkte Rückkopplung

"Wir möchten in einer neuen Studie die Gangart von depressiv erkrankten Menschen durch Schulungen und Rückkopplungen mithilfe elektronischer Geräte verändern, damit sie lernen, nicht depressiv zu gehen – und sehen, ob das das dann langfristig auch ihre Depressionen lindern kann."

Jedenfalls gehen die Forscher von der Annahme aus, dass Körperhaltung und seelisches Befinden sich direkt und in beide Richtungen beeinflussen. "Das ist ein bisschen so wie mit Henne und Ei – schwer zu sagen, was eher da war." (red, derStandard.at, 9.3.2015)