Stadtplanerin Tanja Siems arbeitet mit der Bevölkerung.

Foto: Stefanie Pollmann

Salzburg - "Eine der größten Schwierigkeiten von Smart Cities ist: Man sieht sie nicht!" So lautet kurz und bündig die Krux der klugen Städte, über die in der Theorie mehr zu hören als in der Praxis zu sehen ist. Die Definition, die eine Mischung aus Schmunzeln und Raunen im Publikum erzeugte, stammt von Michael Lobeck. Er muss es ja wissen. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter am Geografischen Institut der Universität Bonn, der im Rahmen der Smart Cities Week in Salzburg letzte Woche den wohl interessantesten Vortrag hielt, skizzierte die City-Versmartung anhand eines kleinen Beispiels aus Baden-Württemberg.

"Wird die ganze Stadt jetzt pink und magenta? Das war die erste Reaktion der Menschen", erinnert sich Lobeck, als Friedrichshafen den mit 115 Millionen Euro dotierten Call der Deutschen Telekom gewann. In den letzten sieben Jahren wurde in der 60.000-Einwohner-Stadt am nördlichen Ufer des Bodensees die sogenannte T-City realisiert. Die gesamte Stadt wurde im Zuge dessen mit Breitband ausgestattet. Profitiert hätten davon, sagte Lobeck, vor allem die Jungen und Mobilen sowie die Älteren und Gebrechlichen.

"Die effizientesten und nachhaltig interessantesten Projekte gab es im Bereich der Mobilität, der kommunalen Verwaltung und der Gesundheit. Es ist vor allem die Technologie von Smart Health, die bei den Menschen am häufigsten Verwendung findet." TeleMed speichert die Daten der Patienten in einer zentralen Onlinekartei. Dank Mobile Visite können kleinere Gebrechen auch ohne persönlichen Kontakt mit dem Arzt besprochen werden. Und mittels GlucoTel können Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel messen. Die Daten müssen nicht mehr protokolliert werden, sondern gelangen auf elektronischem Wege unmittelbar zum Arzt oder ins Krankenhaus, wo sie sofort ausgewertet werden.

Lebensqualität verbessert

"Am Ende des Projekts waren 36 Prozent der Häfler, wie die Einwohner von Friedrichshafen genannt werden, der Meinung, dass sich ihre Lebensqualität dank T-City maßgeblich verbessert habe", meinte Lobeck. Ob das viel oder wenig ist, müsse jeder für sich selbst beurteilen. Wichtigster Apell in der Versmartung unserer Städte: "Ein Smart-City-Projekt darf nicht wie ein Raumschiff sein, das kommt und dann wieder wegfliegt", meint Lobeck, "sondern muss sehr vorsichtig in die Stadt und in die Bevölkerung implementiert werden. Dann funktioniert es."

Doch nicht nur Technologie mache eine Smart City aus, sondern auch das Umdenken von Bürokratie und Verwaltung sowie die Einbeziehung der Bevölkerung in den Planungs- und Entscheidungsprozess. Anhand der Neugestaltung der Place Dr Schweitzer in Brüssel skizzierte Tanja Siems, wie so ein Partizipationsprozess vonstattengehen kann. Einbezogen wurden dabei nicht nur die umliegenden Handelstreibenden, sondern auch Kinder und Senioren.

"Meistens werden in der Architektur und Stadtplanung nur die Interessen bestimmter ausgewählter Personengruppen berücksichtigt", erklärte die Architektin, die an der Bergischen Universität unterrichtet und in London das interdisziplinäre Büro T2 spatialwork leitet, im Gespräch mit dem STANDARD .

"Dabei wird oft vergessen, dass andere Menschen ganz andere Bedürfnisse haben." Die von ihr entwickelte Platzgestaltung und Tramführung sei der kleinste gemeinsame Nenner der Wünsche jener Brüsseler, die sich am 18 Monate langen Partizipationsprogramm beteiligten. Die gemeinsam entwickelten Haltestellenhäuschen für die Bim sollen in ganz Brüssel umgesetzt werden.

Menschliche Komponente

"Es kommt auf die Mischung von Technologien und menschlichen Komponenten an", sagte Siems. "Die richtige Balance ist für mich das, was eine Smart City auszeichnet", ein Aspekt, der ansonsten auf der Smart Cities Week, die vom Klima- und Energiefonds, vom Infrastrukturministerium, vom Austrian Institute of Technologies (AIT) und von der Stadt Salzburg veranstaltet wurde, kaum Beachtung fand.

Die meisten Vorträge widmeten sich der Verwaltung und den Vorteilen der internationalen Normung. Da fehlte doch jenes Menscheln, von dem Vortragende wie Siems sprachen. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 11.3.2015)