Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Einfahrt zum Ölfeld al-Ghani, bei dem immer wieder einmal Milizen auftauchten wie auf dem Bild aus dem Vorjahr. Nun hat man es jedoch mit dem "Islamischen Staat" zu tun.

Foto: REUTERS/Stringer

Tripolis/Wien - Von den ersten sicheren Anzeichen, dass der "Islamische Staat" (IS) von libyschen Rückkehrern aus Syrien und Irak auch in Libyen etabliert wird, bis zu dessen Losschlagen sind nur wenige Monate vergangen - und noch immer ist man weit davon entfernt, eine klare Vorstellung von den Dynamiken zu haben, die sich zwischen der IS und anderen lokalen libyschen Milizen entwickeln: Konkurrenz, Duldung, Zusammenarbeit?

Davon hängen stark die Chancen der von der IS entführten ausländischen Angestellten der österreichisch-maltesischen Ölfirma VAOS ab, darunter ein Oberösterreicher, über deren Verbleib man knapp eine Woche nach ihrer Verschleppung vom Ölfeld al-Ghani immer noch nichts weiß.

Die Ausgangspunkte sind folgende: Die Männer (neben dem Österreicher Männer aus Tschechien, Sudan, Bangladesch, Ghana und vier Filipinos) wurden lebend gefangen genommen und wahrscheinlich - aber da gibt es auch andere Theorien - in den Norden verschleppt. Die meisten Experten rechnen die Entführer der IS-Gruppe zu, die sich zwischen Sirte und al-Nawfaliya als "Wilayat Tarablus" etabliert hat und auf deren Konto auch die Ermordung von 21 ägyptischen Kopten, festgehalten auf einem der grausamen IS-Videos, zugerechnet wird.

Wilaya, damit ist eine Provinz des "Islamischen Staats" gemeint. Im Osten Libyens haben IS-Angehörige das "Wilayat Barqa" ausgerufen (der arabische Name für Cyrenaica), dort war in Derna die erste IS-Dependance in Libyen.

Dass der Anmarsch Richtung Süden auf das Ölfeld al-Ghani in ziemlich massiver Formation vonstattengegangen sein soll, spricht zumindest für eine Duldung anderer lokaler Gruppen, wahrscheinlich für die Teilnahme von Stammeskämpfern aus der Region. Wenn, wie vermutet, auch andere Staatsangehörige dabei waren, dann gibt das jenen recht, die meinen, das sei der "echte" "Islamische Staat", nicht nur eine libysche Nachahmergruppe.

Zerstörung der Ölfelder

Die IS-Milizen sind momentan auf die Zerstörung der Ölfelder im Landesinneren aus; Versuche, sie zu halten und zu betreiben (wie in Syrien und im Irak), gibt es noch nicht. Dass ihnen die Ausländer in die Hände gefallen sind, war wohl ein Treffer, mit dem sie gar nicht gerechnet hatten und aus dem sich viel Geld machen lässt. Das erhöht deren Chancen, wobei wohl jene Gefangenen, mit denen sich weniger lukrieren lässt, gefährdeter sind.

Aber das sind nur Spekulationen; nach Auskunft der österreichischen Behörden gibt es keine Hinweise und Forderungen (und wenn es welche gäbe, würden sie nicht bekanntgemacht).

Der österreichische Botschafter für Libyen, Ronald Sturm, hat erst am 11. Februar seinen Dienst angetreten - in der Expositur im tunesischen Djerba, denn die libysche Hauptstadt Tripolis ist ja nicht einmal in der Hand der international anerkannten Regierung, die in Tobruk sitzt. Sie kann den betroffenen Staaten nicht helfen. Auch die libysche Gegenregierung in Tripolis dürfte eher machtlos sein. Sturm hält sich momentan an der österreichischen Botschaft in Tunis auf, wo die Infrastruktur besser ist.

In Wien ist der Krisenstab zwischen Außenministerium und Nachrichtendiensten im Dauereinsatz. Mit einer schnellen Lösung des Falles rechnet niemand. Die Situation in Libyen ist äußerst volatil, das macht eine Einschätzung und die Suche nach Anknüpfungspunkten so schwierig.

Nächster Halt Tripolis

Experten gehen davon aus, dass die IS-Milizen sich in der nächsten Zeit darauf konzentrieren, für sie erreichbare Ölanlagen anzugreifen und zu zerstören. Aber auch die IS-Aktivitäten in Tripolis werden stärker. Am gefährdetsten sind Ausländer, wie ein IS-Anschlag auf das Hotel Corinthia schon im Jänner zeigte. Am Donnerstag wurde eine Polizeistation angegriffen, wozu sich die IS bekannte: Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass der "Islamische Staat" andere, in Tripolis dominante Kräfte herausfordern will, die sich ihm nicht unterwerfen. Die wichtigsten sind die Milizen der Stadt Misrata - sie einfach als "Islamisten" zu beschreiben wäre zu kurz gegriffen. Misrata unterstützt gemeinsam mit anderen Milizen der "Operation Morgenröte" das Gegenparlament und die Gegenregierung in Tripolis.

In al-Ghani hatten die IS-Milizen jedenfalls leichtes Spiel. Zuvor wurden bereits die Ölfelder von Mabruk - dort wurden philippinische Arbeiter verschleppt - und Bahi mehrere Male angegriffen. Die Gefährdung der nordafrikanischen Ölanlagen ist spätestens seit dem Angriff der Al-Kaida zugerechneten Gruppe rund um Mokhtar Belmokhtar auf das algerische Ölfeld Amenas vor zwei Jahren bekannt. Damals verschanzten sich die Angreifer mit ihren Geiseln, die Befreiung forderte dutzende Todesopfer.

Belkmokhtar griff danach auch Ziele in Niger an, etwa eine Uranproduktionsanlage. Seit Herbst 2014 haben die USA in Niger eine zweite Drohnenbasis, von der aus sie die Region überwachen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 13.3.2015)