Wien – Wolf D. Prix steht "zum ersten Mal in meinem Leben auf der anderen Seite des Zauns. Ich bin jetzt einer, gegen den man protestiert." Der österreichische Avantgardearchitekt mit irgendwie sozialdemokratischer Grundeinstellung feiert an diesem Mittwoch in Frankfurt die Eröffnung seines gewaltigen Büroturms der Europäischen Zentralbank (EZB). Unten, das heißt praktisch in ganz Rest-Frankfurt, tobt der antikapitalistische Furor der "Blockupy"-Bewegung mit Sachbeschädigung, dutzenden Verletzten, Polizeigroßeinsatz.
Prix, Jahrgang 1942, Mitbegründer der legendären Coop Himmelb(l)au, hat da etwas hingestellt, was man als Kathedrale des Geldes sehen könnte, einen raffiniert verdrehten Doppelturm, 185 Meter bzw. 165 Meter hoch. Ein Bürogebäude für 2300 bis 2600 Personen. Oben sitzt Mario Draghi und streut die Billionen über Europa.
Keine Kathedrale des Geldes
Eine Kathedrale des Geldes sehe anders aus, sagt Prix in einem Gespräch kurz vor der Eröffnung: "Die Aufgabe war, ein markantes Gebäude zu entwerfen. Der Inhalt ist ja nicht Geld, sondern Steuerung des Geldes. Ich bin ein Europa-Fan, und ohne Steuerung der Geldflüsse werden wir die EU nicht mehr lange haben. Diese Unterstellungen, dass solche Bauten Zeichen der Macht sind – das sind sie sicher auch, aber ein Hochhaus hat ja auch etwas Erotisches." Die Proteste seien falsch adressiert, denn die EZB sei keine Bank, sondern eben nur ein Steuerungsinstrument für Banken. Aber vielleicht sei auch ein Grund für Proteste, dass das "Gebäude so merkwürdig ist".
Bei seinen bisherigen Signaturbauten in der ganzen Welt – BMW Welt in München, Busan Cinema Center in Südkorea, Conference Center in Dalian, VR China, Musée des Confluences in Lyon – hat es keine Proteste gegeben. Wenn es nur um Steuerung der Geldflüsse geht, hätte man da nicht einen schlichten Zweckbau machen können? Prix: "Ich denke, dass Kultur, ganz gleich welchen Inhalts auch immer, dreidimensionale Zeichen braucht. Die Europäische Union hat ganz wenige dreidimensionale Zeichen, und dieses Gebäude wird sicher eines. Weil es, ähnlich wie die Gotik, eine ganz andere Geometrie hat als die normalen Hochhäuser." Was die EU bisher in Brüssel hingestellt habe, vor allem das Ratsgebäude und das Europäische Parlament, sei, um mit Homer Simpson zu sprechen: "Laaangweilig!"
Im Zwergpudelland
In Österreich hat Prix u. a. eines der Gasometer in Wien umgebaut. Fällt ihm ein Gebäude jüngeren Datums ein, das dem 21. Jahrhundert gerecht wird? "Nicht viele, aber ich weiß eines, das sicher nicht ins 21. gehört. Nämlich der kommende ORF-Zubau auf dem Küniglberg. Das würde nämlich heißen, dass das 21. Jahrhundert das 19. Jahrhundert ist." Im "Zwergpudelland" Österreich habe man eben Angst vor allem Fremden, Neuen, die Mentalität sei in Biederkeit erstarrt.
Der EZB-Bau mit seinen Verbindungen zwischen den Türmen und seinen Freizonen sei "ein offenes System. Das kann man in einem Block nicht unterbringen, weil da Lichtverhältnisse wie in einem Bunker sind. Wir haben Zwischenplattformen und Brücken geschaffen. Einzellenbüros, wo die Menschen arbeiten müssen, umgeben von Familienfotos und Gummibäumen, gibt es nicht. In unseren Bauwerken hat man zwar immer ein eigenes Territorium, aber man ist nicht abgekapselt." (Hans Rauscher, DER STANDARD, 19.3.2015)