Tripolis/Kairo - Mindestens zwölf Mitglieder einer Fajr-Brigade aus Misrata wurden bei den Kämpfen mit Jihadisten des Islamischen Staates (IS) in der Region von Sirte am Mittwoch getötet. Diese Kämpfe dauern seit etlichen Tagen an, haben mehrere Dutzend Tote und Verletzte auf beiden Seiten gefordert und hunderte Familien zur Flucht gezwungen.

Die IS-Milizen versuchen in Zentrallibyen ein Emirat zu errichten, das in der Nähe der reichen Ölvorkommen liegt. Die Misrata-Brigaden, die von der islamistischen Gegenregierung in Tripolis unterstützt werden, haben ihre Truppen verstärkt. In den nächsten Tagen wird eine Großoffensive gegen die Stadt Nawfaliya östlich von Sirte erwartet, wo die IS-Milizen ihre lokale Basis haben.

Die Spaltung des Landes und das Fehlen staatlicher Strukturen haben es der IS erlaubt, sich in mehreren Regionen Libyens einzunisten. Ihre Stärke wird auf 3000 bis 5000 Mann geschätzt.

Ansteckungsgefahr

Libyen ist auch zu einem Anziehungspunkt für ausländische Terroristen geworden, die sich mit lokalen extremistischen Zellen verbünden. Regelmäßig berichtet etwa der tunesische Zoll, dass Militante beim Versuch nach Libyen einzureisen, aufgegriffen werden. Tunesien hat 250 libysche Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, denen zu große Nähe zu islamistischen Gruppierungen vorgeworfen wird, mit einer Einreisesperre belegt.

Am Wochenende wurde bei den Kämpfen bei Sorte auch ein tunesischer IS-Führer getötet, Ahmed al-Rouissi, Aliasname Abu Zakariya al-Tunisi. Auch bei der Entführung von Ölarbeitern, darunter ein Österreicher, vom Ölfeld al-Ghani vor fast zwei Wochen sollen Tunesier dabei gewesen sein.

Obwohl die IS im Osten des Landes auch eine große Gefahr für die international anerkannte Regierung in Tobruk darstellt, gibt es keine Zusammenarbeit der beiden rivalisierenden Machtblöcke bei der Bekämpfung der Jihadisten. Man warte, bis die Misrata-Kräfte einer gemeinsamen Armee beitreten würden, erklärte Ahmed al-Masmari, der Sprecher der von General Khalifa al-Haftar geführten Armee in Tobruk.

Beide rivalisierenden Machtblöcke in Libyen sind sich einig, dass mit einer Regierung der nationalen Einheit die Basis für neue staatliche Institutionen und einen effizienten Kampf gegen den Terror gelegt werden soll. Am Donnerstag trafen sie sich deshalb zu einer weiteren Runde des von den UN vermittelten politischen Dialogs in Rabat in Marokko. Die Vertreter aus Tobruk beharren aber auf einer Bestätigung, dass ihr Parlament das einzig legitime ist. Uneinig ist man sich auch darüber, wie die Entwaffnung der Milizen und ihre Eingliederung in eine nationale Armee umgesetzt werden könnten. (Astrid Frefel, DER STANDARD, 20.3.2015)