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Das neue BND-Hauptquartier in Berlin. Der deutsche Geheimdienst spioniert auch Österreicher aus

Foto: Reuters/Schwarz

Obwohl seit mehr als einem Jahr aktiv, kommt der NSA-Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages weiterhin nur schleppend voran: Als "bislang erfolglos" bezeichnet die Initiative "Reporter ohne Grenzen" die Bemühungen des Gremiums, auch die Abgeordneten selbst werden zusehends frustriert. Neben fehlenden Akten und manipulativer Scharmützel seitens des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) sind es vor allem Erinnerungslücken bei wichtigen Zeugen, die dem U-Ausschuss zu schaffen machen.

Widersprüche

So auch am Donnerstag: Geladen war Harald Fechner, der mehr als 28 Jahre beim BND verbracht hatte – zuletzt als "Leiter der Technischen Aufklärung". Der Auftritt von Fechner lässt sich durchaus als "skurril" bezeichnen: Wiederholt verwies der ehemalige Agent auf die Live-Protokolle von Netzpolitik.org, die er bei der Beantwortung seiner Fragen oft eher heranzog als seine Erinnerung. Wenn er denn etwas Neues zu Protokoll gab, widersprach das Aussagen anderer Zeugen.

Von preiswerten Antennen

So erklärte Fechner zur hochgeheimen "Operation Eikonal", bei welcher der BND Daten aus Internetkabeln auch für die NSA absaugte, dass diese bereits beendet war, als er im April 2008 den Posten als Leiter der Technischen Aufklärung antrat. Damit widerspricht er direkt seinem Vorgänger, laut dem Eikonal erst später abgewickelt worden war. Zur BND-Station in Bad Aibling, die bis 2004 von der NSA betrieben wurde, sagte Fechner, der BND profitiere bis heute von der Technik der US-Amerikaner. "Die Antennen waren preiswert", so Fechner. Bad Aibling wird immer wieder mit der österreichischen Station Königswarte in Verbindung gebracht, die in den vergangenen Jahren auch eine Reihe neuer Antennen im Wert von dutzenden Millionen Euro erhalten haben soll.

Ringtausch: Gesamterfassungssystem

Fechner wurde auch über die Selektoren und Filter ausgefragt, nach denen der Internetverkehr vom BND ausgesiebt wurde. Dabei war unter anderem auch vom STANDARD thematisiert worden, dass nicht-deutsche EU-Bürger nicht vom deutschen Grundgesetz geschützt werden. Im NSA-Untersuchungsausschuss wurde das am Donnerstag mehrmals aufgegriffen. So thematisierte der grüne Fraktionsführer im Ausschuss, Konstantin von Notz, das Konzept des Ringtausches, vor dem auch NSA-Whistleblower Edward Snowden gewarnt hatte: Die US-Dienste kooperieren mit einer Vielzahl von EU-Ländern, die den Verkehr ihrer eigenen Bürger herausfiltern. Durch die Vielzahl an Kooperationen erhalten die USA aber schließlich Daten aller EU-Bürger.

"Österreich denkt auch über einen Untersuchungsausschuss nach. Hier werden österreichische Daten nicht gefiltert, dort deutsche Daten nicht – ist dann der BND Teil eines Gesamterfassungsssystems, wo Deutschland nicht gefiltert wird", fragte von Notz den Zeugen laut den Liveprotokollen von Netzpolitik.org, woraufhin Fechner lediglich mit "Ich hoffe nicht" replizierte und die Kentnnis eines Ringtausch-Systems bestritt. Auch beim zweiten Zeugen, einem BND-Juristen, ging es um die Filtermechanismen.

"Mangelnde Relevanz"

Prinzipiell gebiete das deutsche Grundgesetz nur, die Daten deutscher Staatsbürger auszusieben, erklärte der nur unter einem Pseudonym auftretende Jurist. "Wir unterscheiden in Ausland und Deutsche. Der Österreicher zählt als Ausländer", so der BND-Mitarbeiter. "Wie der Afghane?", fragt von Notz weiter, was der Zeuge grundsätzlich bejaht. Allerdings würden Österreicher wohl "in der Folge ausgefiltert, da die Daten mangelnde Relevanz" hätten. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Daten nicht dennoch von Deutschland an die NSA weitergeleitet würden.

Dschihadistische Schauplätze

Prinzipiell seien laut den Zeugen vor allem "dschihadistische Schauplätze" von Interesse, etwa Pakistan, Mali, Somalie und "jetzt Syrien". Es gebe bei der Satellitenaufklärung etwa klare Auftragsziele, so der BND-Mitarbeiter. Abgeordnete hatten schon in der Vergangenheit befürchtet, dass die USA auch aufgrund von Daten der deutschen Dienste ihren Drohnenkrieg in Afrika ausführen würden. Die Operationen sollen dabei auch vom US-Stützpunkt im deutschen Ramstein ausgeführt werden. Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR versandte das Auswärtige Amt im April 2014 einen Fragekatalog an die US-Botschaft. Das sei aber nur eine symbolische Geste gewesen, kritisieren nun der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat und Andrej Hunko (Die Linke) scharf.

Drohnen

So sei die Angelegenheit für die deutsche Bundesregierung nach "intensiven, vertraulichen Gesprächen" mit US-Vertretern erledigt gewesen. Laut Movassat verschleiere dies, "dass die Bundesregierung auf Aufklärung verzichtet." Dasselbe Vorgehen sei schon bei der NSA-Spionage, etwa durch das Programm Prism, zu beobachten gewesen. Auch in Österreich hatte der damalige Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) nach den ersten Snowden-Enthüllungen einen Fragenkatalog an die US-Botschaft übermittelt, dessen Beantwortung allerdings nie publik wurde. (fsc, derStandard.at, 20.3.2015)