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Leukämie ist eine sehr heterogene Krebsform.

Foto: wikipedia, g. caponetti, [CC;3.0;by-sa]

Chronisch lymphatische Leukämie ist die häufigste Leukämieerkrankung, die es in der westlichen Welt gibt. Die Erkrankung kann in jedem Erwachsenenalter auftreten, nimmt aber mit zunehmendem Alter stark zu.

Der Krebs zeichnet sich dabei durch hohe Heterogenität aus. "Es gibt Patienten, die ihr ganzes Leben keine Therapie brauchen, und solche, die binnen zwei Jahren versterben", sagt Richard Greil, Primar der Onkologie an der Universitätsklinik Salzburg.

Alternativen zur Chemo

Behandelt wird CLL derzeit mit einer Kombination aus einer Chemotherapie und dem Medikament Rituximab - ein Ansatz, der in der Krebstherapie in den vergangenen Jahren das Überleben deutlich verlängert hat. Neu ist der Einsatz von Rituximab in der Folgetherapie.

Die Suche nach Alternativen zur Chemotherapie ist von großer Bedeutung: "Medikamente setzen Tumorzellen unter genetischen Stress und können teilweise zu einer sogenannten klonalen Selektion führen. Ein Medikament, das zunächst eine starke Reduzierung der Tumormasse bedingt, kann eine Erhöhung der Diversität der lebenden Tumorzellen zur Folge haben", sagt Greil.

Die Folge: Es entstehen Subklone, die Resistenzen gegen die Therapie entwickeln. "Das ist ein Pyrrhussieg. Nach einem ersten Erfolg kann die Krankheit in weitaus aggressiverer Form wieder kommen", so der Experte.

Viel Forschung

Darum lauft derzeit eine Reihe von Studien, die sich mit alternativen Angriffspunkten beschäftigen, Tumore zu modifizieren und unter Kontrolle zu halten oder zu bringen. "Dabei handelt es sich um immunmodulatorische, also das Immunsystem verändernde Maßnahmen oder molekulare Formen der Therapie, die auf Regulationsmechanismen in den Zellen Einfluss nehmen", betont der Onkologe.

Anders als bei soliden Tumoren wandern bei der Leukämie die malignen Zellen durch das lymphatische System: Von der Blutbahn ins Knochenmark, in die Lymphknoten, in die Milz. "Dabei hat sich herausgestellt, dass die Hauptvermehrung der Leukämiezellen sehr wahrscheinlich in den Lymphknoten stattfindet. Die Zellen wandern offenbar immer wieder in die Lymphknoten zurück, wo sie Zellteilungssignale zu ihrem Überleben erhalten", erklärt Greil.

Er spricht in diesem Zusammenhang von den Lymphknoten als "Bioreaktor für die Leukämievermehrung". Greil: "Wir beschäftigen uns im Labor derzeit mit Methoden, mit denen wir versuchen, die Zellen aus dieser für sie günstigen Umgebung herauszubekommen, dorthin, wo sie empfindlicher sind." Das passiere, indem man etwa identifiziere, welche Andockmoleküle für Leukämiezellen in den Lymphknoten entscheidend sind.

Neue Studie

Nun liegt weltweit die erste Studie vor, die bei CLL eine CD-20-Antikörpertherapie untersucht. CD-20 ist ein Molekül an der Zelloberfläche, das ins Zellinnere ragt und dort Signale auslösen kann. Der gentechnisch hergestellte Antikörper bildet dabei eine Brücke zur Zellumgebung, die es Abwehrzellen ermöglicht, die malignen Zellen zu zerstören.

An der Studie nahmen 263 Patienten teil. Alle Patienten mussten mindestens sechs Zyklen einer Chemoimmuntherapie mit Rituximab aufweisen und in einer Remission sein, das heißt, der Krebs musste sich komplett oder teilweise rückgebildet haben.

Die Hälfte der Patienten (134) erhielt bis zu zwei Jahre lang alle drei Monate eine Infusionslösung mit Rituximab, die andere Hälfte der Studienteilnehmer (129) wurde im Beobachtungszeitraum ohne Nachtherapie behandelt.

Langsameres Fortschreiten

Dabei stellte sich schon in der Zwischenuntersuchung heraus, dass signifikant mehr Patienten ohne Krankheitsprogression waren, welche die medikamentöse Folgetherapie bekamen. Bei ihnen war kein Wiederanstieg der krankhaften weißen Blutkörperchen oder das Neuauftreten krankhafter Lymphknoten nachweisbar.

"In der Rituximab-Gruppe waren 85,1 Prozent der Patienten ohne Krankheitsprogression, im Beobachtungsarm 75,5 Prozent. Das sind zehn Prozent absoluter Unterschied, der statistisch hoch signifikant ist", sagt Greil. Der Vorteil bestand dabei für die meisten untersuchten Subgruppen. Es gebe keine Population, in der etwa eine Verschlechterung durch die Behandlung eingetreten ist.

Patienten im Kontrollarm wiesen zudem ein 2,38-fach höheres Risiko für ein Krankheitsfortschreiten auf. Ein Unterschied bestand auch, ob Patienten zum ersten Mal eine Chemotherapie erhalten hatten oder sich im ersten Rückfall befanden: "Das Risiko für eine Progression war in der Zweitlinientherapie um das fast Zweieinhalbfache höher. Das würde für eine möglichst frühe Erhaltungstherapie sprechen."

Mehr Infektionen

Einzige signifikante Nebenwirkung bei der Rituximab-Gruppe war ein doppelt so hohes Infektionsrisiko (15 Prozent gegenüber sieben Prozent). "Wenn die Infektionen unter Kontrolle gebracht werden können, ist das aber nicht entscheidend. Entscheidend ist primär das Verhältnis zum Nutzen", betont Greil. Insbesondere traten die zwei tödlichen Infektionsfälle nur im Kontrollarm auf.

Ziel der Erhaltungstherapie sei es, die Tumormasse weiter abzuschmelzen, mit einem Medikament, das relativ gut tolerabel ist und das eine sehr starke Wirkung gegenüber den Tumorzellen hat. Entscheidend dabei ist, dass man das Medikament prolongiert anwenden kann, was bei einer Erhaltungstherapie mit Chemotherapie nicht möglich ist.

"Hier entwickeln sich über die Zeit hinweg hohe Toxizitäten mit starken Nebenwirkungen für bestimmte Organe", so Greil. Folge seien etwa Knochenmarksschäden, Infektionen, andere Krebsformen, aber auch Nerven- oder Herzschäden, die durch die lange Behandlung mit klassischen zytostatischen Medikamenten eintreten können. Dem Entwickeln chemotherapiefreier Behandlungen gelte darum in der Krebsforschung in Salzburg besonderes Interesse.

Mehr Sponsoren nötig

Das von Greil aufgebaute Krebsforschungsinstitut an den Salzburger Landeskliniken (SCRI) und die von ihm initiierte Arbeitsgemeinschaft Medikamentöse Tumortherapie (AGMT) haben in den vergangenen zehn Jahren 6.000 Patienten in 400 klinischen Krebsstudien eingeschlossen.

Weil es für klinische Studien durch die öffentliche Hand keine Unterstützung gibt, wünscht sich Greil mehr private Geldgeber: "Was uns am meisten fehlt, ist die Unterstützung durch Sponsoren. In Österreich haben viele wohlhabende Menschen aber die Vorstellung, dass das alleine die Aufgabe der öffentlichen Hand sei. In den USA ist es eher so, dass Menschen das Gefühl haben, der Gesellschaft auch etwas zurückzugeben", sagt der Onkologe (APA, derStandard.at, 20.3.2015)