Andreas Andreadis, Tourismus-Chef: Je höher die Steuern sind, desto größer wird die Bereitschaft, die Steuern zu umgehen.

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STANDARD: Die Leute im Rest von Europa, die Deutschen vor allem, lesen jetzt täglich Schlagzeilen von den "gierigen Griechen" und den "Wutgriechen". Schreckt das die Touristen nicht ab?

Andreadis: Jaja, das sind diese Stereotype. Die Zahlen, die wir jetzt auf dem Papier sehen, sagen etwas anderes. Die Buchungen aus Deutschland für diesen Sommer sind bereits 12,8 Prozent höher als im Vorjahr, das auch schon sehr gut war. Wir hatten 2,5 Millionen Besucher aus Deutschland und knapp 300.000 aus Österreich. Wir sehen im Moment nur die Frühbuchungen. Dieser Aufwärtstrend wird sich natürlich im Lauf des Jahres verlangsamen, aber wenn nichts Dramatisches passiert, wird es am Ende ein Plus um die neun Prozent sein, wie schon 2014.

STANDARD: Warum kommen die Touristen trotz dieser negativen Berichterstattung?

Andreadis: Den normalen Urlauber interessieren die politischen Streitereien mit Griechenland nicht. Was die Regierung x oder y hier macht, ist das eine, der Urlaub ist das andere. Und das Verhältnis zwischen den Griechen und den Deutschen wie den Österreichern ist sehr freundschaftlich. Selbst im Jahr 2012, als die Situation politisch noch angespannter war und es die Anti-Merkel-Demonstrationen auf dem Syntagma-Platz in Athen gab, haben wir nicht von einem einzigen Zwischenfall mit einem deutschen Urlauber gehört. Mit den sozialen Medien heute geht das schnell, nichts bleibt verborgen.

STANDARD: Man wird aber schon schief angeschaut, wenn man in Athen ins Taxis steigt und sagt, man ist Deutscher.

Andreadis: Kann sein. Ich bin oft in Deutschland, und die Leute sehen mich auch komisch an, wenn ich jetzt sage, ich bin Grieche. Aber das ist es dann schon, es heißt nichts. Auf der persönlichen Ebene ist alles freundlich. Und die meisten der deutschen und österreichischen Besucher waren schon viele Male in Griechenland. Sie kennen die Menschen, und die Menschen kennen sie.

STANDARD: Die griechische Regierung will Touristen als verdeckte Steuerfahnder einsetzen. Was haben Sie sich gedacht, als Sie das gelesen haben?

Andreadis: An sich ist das keine schlechte Idee, wenn es richtig gemacht wird. Jeder nutzt zur Qualitätskontrolle Leute, die in Hotels oder Restaurants als Gäste auftreten. Aber man kann einen Touristen nicht bitten, als Spion zu arbeiten. Er will Urlaub machen. Und es löst auch nicht das Problem des Steuerbetrugs.

STANDARD: Was schlagen Sie vor?

Andreadis: Kein Cash mehr für Rechnungen über 100 Euro. Das wird einen großen Aufschrei in der Wirtschaft geben, aber es ist ein einfaches, praktisches Mittel, um die Steuerhinterziehung abzudrehen. Sobald eine Kreditkarte dazwischen ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, ohne Beleg zu kassieren und die Mehrwertsteuer zu umgehen. Wer zahlt in Europa heutzutage noch cash im Restaurant? Wir schlagen der Regierung vor: Macht Pilotprojekte, nehmt zehn Gebiete, Inseln wie Mykonos und Santorini, und führt die Pflicht zur Abrechnung mit Kreditkarten ein. Dann sehen wir den Unterschied.

STANDARD: In den Restaurants in Athen wird man mit Kassenzetteln für jedes einzelne Gericht zugeschüttet.

Andreadis: In Athen ja, aber die Steuerhinterziehung ist immer noch ein Problem. Wir haben sehr hohe Steuern in Griechenland, einen der höchsten Mehrwertsteuersätze in Europa, aber die Steuereintreibung bleibt schwach. Die Kreditgeber fordern immer höhere Steuern. Je höher aber die Steuern sind, desto größer wird die Bereitschaft, Steuern zu umgehen. Nehmen wir die Gehaltszahlungen. Sie sind das andere Problem. Angestellte in Hotels und Restaurants sollten verpflichtend nur noch über die Bank bezahlt werden.

STANDARD: Auf den griechischen Inseln gelten niedrigere Mehrwertsteuersätze als auf dem Festland. Die Troika drängt seit langem auf eine Erhöhung.

Andreadis: Wir erklären der Regierung ebenso wie den Kreditgebern: Es ist nicht logisch, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Der Tourismus bringt 20 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Griechenlands. Wir haben - wie viele andere EU-Länder auch - drei Mehrwertsteuerraten: 23, 13 und 6,5 Prozent. Auf den Ägäis-Inseln, nicht auf Kreta und im Ionischen Meer, gibt es 30 Prozent Nachlass bei diesen Steuersätzen: Andere Länder, etwa Frankreich mit Korsika, machen dasselbe. Für uns sind diese Anreize wichtig. Wir haben 2014 im Tourismusbereich 110.000 ständige Jobs geschaffen; dieses Jahr werden es vielleicht 60.000 sein. Wir erwarten ja schließlich 25 Millionen Besucher, die Kreuzfahrtreisenden eingeschlossen.

STANDARD: Fürchten Sie den Grexit?

Andreadis: Es gibt keinen Grexit. Wenn 80 Prozent im Land keinen Austritt aus der Eurozone wollen, dann kommt es auch nicht dazu. Die Regierung wird also Kompromisse mit den Gläubigern eingehen müssen. (Markus Bernath, DER STANDARD, 21.3.2015)