Die Laotische Felsenratte ...

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... und ihre nahen Verwandten, die Gundis, zu denen nur fünf Arten in vier Gattungen gezählt werden.

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Frankfurt/Main – "Felsenbewohnende rätselhafte Maus": So lautet der wissenschaftliche Name der Laotischen Felsenratte Laonastes aenigmamus übersetzt. Und der Name ist auch Programm, denn rätselhaft ist der kleine, auch in freier Wildbahn fast handzahme Nager tatsächlich: "Das Tier wurde auf einem Markt in Laos entdeckt", berichtet Irina Ruf vom Senckenberg-Forschungsinstitut in Frankfurt am Main und fügt hinzu: "Nach der wissenschaftlichen Erstbeschreibung 2005 wurde schnell klar, dass es sich hier um eine unbekannte Säugetierart handelt."

Erste Beschreibungen ordneten das etwa eichhörnchengroße Tier mit dem dunklen, dichten Fell und langen Schwanz sogar einer neuen biologischen Familie zu. "Doch was erst wie eine wissenschaftliche Sensation klang – neue Familien sind bei Säugetieren extrem selten –, erwies sich dann doch als falsch", so Ruf. Heute ist bekannt, dass die Laotische Felsenratte zur Familie der Diatomyidae gehört, einer Nagergruppe, die eigentlich seit elf Millionen Jahren als ausgestorben galt.

Der Nager aus Laos ist damit einer der seltenen Fälle, in denen eine als längst ausgestorben geltende Tierart plötzlich wiederentdeckt wird. Ein berühmteres Beispiel hierfür ist der Quastenflosser. "Doch trotz der Einordnung in eine Familie waren die Verwandtschaftsverhältnisse der Laotischen Felsenratte zu anderen heutigen Nagergruppen zunächst unklar – bezogen auf diese könnte man beinah von einer 'Chaotischen Felsenratte' sprechen", scherzt die Forscherin.

Anatomischer Vergleich

Gemeinsam mit Kollegen des Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment (HEP), der Universität Tübingen und des Nationalmuseums in Paris konnte Ruf nun entscheidend zur Klärung der wissenschaftlichen Einordnung beitragen: Das Forscherteam bestätigt mit seiner aktuellen Studie die Vermutung, dass die Laotische Felsenratte in naher Verwandtschaft zu den heute in Nordafrika lebenden Gundis (Ctenodactylidae) steht.

"Wir konnten mit recht einfach Mitteln der klassischen vergleichenden Anatomie belegen, dass der als 'Paukensaite' bezeichnete Nerv Chorda tympani im Mittelohr der Laotischen Felsenratte einen identischen Verlauf hat wie bei Vertretern aus der Familie der Gundis. Somit haben wir ein eindeutiges anatomisches Merkmal, dass deren Verwandtschaft unterstützt", so Ruf.

Die Untersuchungen erfolgten an einer einzigartigen histologischen Schnittserie – mikrometerdünnen eingefärbten Gewebeschnitten von einem Fötus der Laotischen Felsenratte. Der Vergleich der Chorda tympani eigne sich auch zur Überprüfung von Verwandschaftshypothesen bei weiteren Nagetieren, aber auch bei Raubtieren, Primaten oder Unpaarhufern, sagt Ruf. "Und wir benötigen dabei weder Genetik noch moderne bildgebende Verfahren." (red, derStandard.at, 29.3.2015)