Georg Schildhammer hat im "Kommentar der anderen" (Standard, 19. 3. 2015 ) seinen Nachtrag zum Frauentag abgeliefert. Über die Wahrheit und den Feminismus will er sich dabei vertiefen: Geworden ist es das schlichte Bekenntnis eines Antifeministen.

Es hapert schon bei den Jahreszahlen: Die Fristenregelung ist in Österreich nicht, wie der Autor schreibt, seit 1973, sondern seit 1975 Gesetz. Auch beim "Wahlrecht der Männer" hat sich beim Autor ein Fehler eingeschlichen, es stammt nicht aus 1907. Das prinzipielle Recht der Männer an Wahlen (zwar in einem ungerechten Zensus- und Kuriensystem) teilzunehmen, gibt es seit 1896. Das sind Kleinigkeiten, unbestritten, aber das kommt eben dabei raus, wenn man sich nur oberflächlich mit etwas auseinandersetzt.

Oberflächlich entwickelt er auch seine Erklärungen zum Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern. Frauen, meint der Philosoph, entscheiden sich einfach für die falschen Studien und Berufe. Sie sind ja selber schuld. Bemerkenswert findet der Autor, dass so viele Frauen sich für Berufe entscheiden, die schlecht entlohnt sind. Nicht bemerkenswert findet der Philosoph, dass Berufe, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind, durchwegs geringer entlohnt werden.

Der Kern der geschlechtsspezifischen Einkommensdiskriminierung ist Schildhammer ganz offensichtlich fremd: Tätigkeiten respektive Berufe, die traditionell und überwiegend von Frauen ausgeübt werden und mithin als "typisch weiblich" gelten, werden geringer bewertet und niedriger entlohnt. So liegt zum Beispiel das Anfangsgehalt einer Altenfachbetreuerin rund 200 Euro unter jenem eines ausgebildeten Maurers. (Beispiele ließen sich fortsetzen zu Mechaniker und Friseurin, Kindergartenpädagogin und Uniprofessor oder Finanzdienstleister und Sozialarbeiterin).

Das ist in Zahlen gegossene "strukturelle Diskriminierung", die sich in einer Arbeitsbewertung mit traditionell-männlichem Maßstab ausdrückt und auf dem Lohnzettel der Frauen abbildet. Status und Einkommen eines Berufs sind eben keine Zufälligkeiten - sie hängen mit dem Geschlecht zusammen. Ganz deutlich zeigt sich das, wenn sich in Berufen ein Geschlechterwechsel vollzieht. Sekretär war bis 1900 ein männlicher Beruf mit hohem Ansehen. Als mit der Zeit immer mehr Frauen "Sekretäre" wurden, verlor der Beruf an Status und - wenig überraschend - an Lohnhöhen.

Mit "Ungerechtigkeit" hat das laut Schildhammer nichts zu tun. Lohndiskriminierung ist für ihn offenbar so selbstverständlich wie die Schwerkraft. Jedenfalls aber ist es die Sache der Frauen, für sich selbst gerechte Verhältnisse herzustellen. Frauen sollen andere Berufe wählen oder besser verhandeln. Er übersieht nicht nur, dass die Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern hierzulande eine Staatszielbestimmung ist, sondern auch, dass Lohngerechtigkeit keine individuelle Verhandlungssache ist.

Das hat mit "Kommunismus" nichts zu tun. Schon im Jahre 1998 stellte der Oberste Gerichtshof in einem Urteil (OGH 20. 5. 1998, 9 ObA 350/97d) fest, dass die geringere Entlohnung für eine gleichwertige Tätigkeit nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass eine Frau zu wenig verlangt habe. Die niedrige Entlohnung der Frauen, so der OGH, ist offenkundig und steht im engen Zusammenhang mit der Bewertung der Arbeit, die bei Frauen häufig als weniger schwierig und damit geringerwertig eingestuft wird.

Es ist, urteilt der OGH, die Aufgabe der Unternehmen, für gerechte Entlohnung zu sorgen. Equal Pay ist keine Frage des Verhandlungsgeschicks, sondern Pflicht des Arbeitgebers.

Aber sei's drum, dafür weiß der Philosoph, dass Frauen "anders ticken". Sein "Andersticken" kommt so daher: Statt Geld wollen Frauen lieber "Freude und Sinn". "Klüger" sind sie, die Frauen, weil sie "weniger fordern". Denn sie wissen, dass sie sich früher oder später "für Kinder und gegen Karriere entscheiden". (Männer haben offenbar keine Kinder!) Und die Frauen fühlen sich damit auch "wohler", weiß er. Frauen wollen ein "erfülltes Leben" statt "Machtspiele". Gleichberechtigung gerät ihm zum "sinnlosen Konkurrenzkampf". Die Ungleichheit (bei Löhnen, Macht und Mitbestimmung) kann fortbestehen - sie wird zum Wohlfühlfaktor.

Diese Nummer kennen wir. Ignaz Seipel, Prälat und Bundeskanzler in der Ersten Republik, hat es 1917 ganz ähnlich formuliert, als er die Notwendigkeit des Frauenwahlrechts infrage stellte: "Aber sollen wir den Frauen das Wahlrecht mit den Pflichten und Lasten, die es mit sich bringt, aufbürden? Gerade darin hätte sich die Ritterlichkeit der Männer zu zeigen, dass sie den Frauen das Hinabsteigen auf den politischen Kampfplatz ersparen, wie umgekehrt ja auch die Frauen den Männern die häuslichen Sorgen abnehmen." So klingt er, der Antifeminismus, vor hundert Jahren und auch heute. Schildhammer irrt, wenn er meint, der Feminismus findet keine Feinde mehr. Der "reale Feind des Feminismus" ist die Borniertheit. (Sonja Ablinger, DER STANDARD, 24.3.2015)