Mit seinen aus weggeworfenen Löffeln, Schrauben, Drähten und Kronkorken geformten "C-Stunners" sorgt der Kenianer Cyrus Kabiru weltweit für Aufsehen.

Foto: Amunga Eshuchi

In der Designwelt geht es zu wie in früheren Kolonialzeiten. Wie wir wohnen, wie wir uns kleiden und welche Autos wir fahren, wird von wenigen europäischen Ländern bestimmt. Die USA und Japan haben an dieser Stelle zwar auch ein wenig mitzureden. Doch die Zügel liegen weiterhin in den Händen der Alten Welt - bislang zumindest. Dass die Karten durchaus neu gemischt werden könnten, zeigt das Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Mit der Ausstellung Making Africa wird der Fokus auf eine neue Generation von afrikanischen Gestaltern und Machern gesetzt, die selbstbewusst nach vorn drängt.

"Afrika bedeutet mehr als Hunger, Korruption oder atemberaubende Landschaften", sagt Amelie Klein. Zwei Jahre hat die Kuratorin die Ausstellung vorbereitet, die nach ihrem Auftakt in Weil am Rhein einen zweiten Bau des Architekten Frank O. Gehry bespielen wird: das Guggenheim-Museum in Bilbao. Eine Bühne hat afrikanische Gestaltung jedoch schon längst auf andere Weise gefunden: Bereits 2012 wurden auf dem Kontinent mehr als 650 Millionen Mobiltelefone registriert - mehr als in Europa und den USA zusammen.

Afrikanische Designer und Macher haben also ein digitales Forum gefunden. Viele von ihnen arbeiten in mehreren Disziplinen gleichzeitig, was der Ausstellung ein breites Spektrum gibt. Design, Grafik, Illustration, Mode, Architektur, Stadtplanung, Kunst, Film und Fotografie treffen so zu einer kraftvollen Mischung zusammen, die die Grenzen zwischen analog und digital verschwimmen lässt. Stühle - sonst die omnipräsenten Platzhirsche in jeder Designschau - findet man kaum. Stattdessen stehen Prozesse, Systeme, Dienstleistungen und soziale Interaktion im Vordergrund - auch wenn handfeste Materie natürlich nicht fehlen darf.

Foto: Expand Design, »Splice«, 2012, Hocker, © Ifeanyi Oganwu, courtesy Expand Design Ltd, Galerie Armel Soyer and Priveekollektie

Metallener Stoff

Exemplarisch für den Perspektivwechsel werden die Besucher gleich am Anfang des Rundgangs von den Brillenskulpturen des Kenianers Cyrus Kabiru empfangen. Die aus weggeworfenen Löffeln, Schrauben, Drähten und Kronkorken geformten "C-Stunners" verändern nicht nur die Sichtweise des Trägers, sondern ebenso dessen eigene Gestalt. Unikatcharakter erfüllen ebenso die Wandteppiche von El Anatsui. Als Material dienen dem Künstler Schraubverschlüsse von Flaschen, die von Hand zu Aluminiumstreifen verarbeitet und anschließend mit Kupferdraht vernäht werden. Was da herauskommt, ist alles andere als ein typisches Recyclingprodukt.

"Was die Arbeit mit den metallenen 'Stoffen' so besonders macht, ist die Tatsache, dass die Armut des Materials es nicht daran hindert, reiche und wunderbare Geschichten zu erzählen", meint El Anatsui. Seit er seine Arbeiten 2007 auf der Kunstbiennale in Venedig zeigte, erzielen diese bis zu siebenstellige Dollar-Beträge. "Arbeiten wie diese werden nur selten in großer Stückzahl produziert, doch dafür im Kollektiv. Sie entstammen häufig einer informellen Maker-Kultur, wo mit traditionellen und elektronischen Werkzeugen Vorhandenes umgestaltet und Neues produziert wird", erklärt Amelie Klein.

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Foto: Omar Victor Diop, »Aminata«, Fotografie aus der Serie/ photograph from the series »The Studio of Vanities«, 2013, © Victor Omar Diop, 2014, Courtesy Magnin-A Gallery, Paris

Auch wenn Afrika bei der Verstädterung zurückliegt: Nirgendwo wachsen die Metropolen derzeit schneller. Fotografien des nigerianisch-britischen Architekten David Adjaye dokumentieren den baulichen Wandel in 53 Großstädten. Einen Ausblick in die urbane Zukunft des Jahres 2081 wirft Olalekan Jeyifous mit seinen illustrierten Geschichten für das nigerianische Modelabels Ikiré Jones. Die dargestellten Helden bewegen sich lässig und elegant durch Lagos, Johannesburg und Nairobi. Ein passendes Bild, wie der bestehende Designkolonialismus endlich ad acta gelegt wird. (Norman Kietzmann, Rondo, DER STANDARD, 27.3.2015)