Langer Schlauch, tolles Essen: das Zsam-Zsam in Wien-Meidling.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Luftiger Couscous Tfaya vegetarisch mit Gemüse, Nüssen, Trockenfrüchten, Schmorzwiebeln und Kürbis.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Routinierte Alkoholiker, Fremdenangst-Hasen und andere Rabiat-Austriaken werden um das Zsam-Zsam einen Bogen machen. Dabei gibt es hier mehr als ordentliches Wiener Schnitzel und eine - wenn auch untypisch saftige - Sachertorte zu holen.

Getrunken wird halt nur Almdudler, Frucade, allerhand Biosäfte und, bei Bedarf, das Zamzam-Wasser aus jener Quelle in Mekka, die der Gott der Juden, Christen und Muslime einst für Abrahams Sohn Ismail und dessen Mutter Hagar geschlagen haben soll. Das Wasser hat seinen Ursprung der Überlieferung nach im Paradies, hier wird es in Plastikflaschen verkauft. Alkohol gibt es keinen, dafür beachtliche, mit kühler Vanillecreme gefüllte Eclairs - manche Sünden sind eben überall erlaubt.

Orientalisches Frühstück und Wiener Schnitzel

Das Zsam-Zsam wird von Partnern betrieben, die aus Syrien, Pakistan und Österreich stammen, allesamt Muslime sind und das zu Jahresanfang eröffnete Bistro als Begegnungsstätte verstanden wissen wollen. Das allein ist im gegenwärtigen, von Extremisten aller Richtungen vergifteten Klima nicht hoch genug zu loben. Das Lokal hat aber eine Reihe anderer Vorzüge zu bieten. Das Ambiente gehört nicht unbedingt dazu, dafür liegen neben lokaler Presse stets auch Die Zeit und Frankfurter Allgemeine auf, Wireless gibt es sowieso.

Das orientalische Frühstück mit Hummus, Falafel, Mutabbal und Oliven erfreut sich größter Beliebtheit. Das Wiener Schnitzel soll nicht etwa Wiener locken, sondern muslimische Touristen, die den lokalen Fetisch sonst nirgends halal ordern können. Auch sonst wirkt die Karte aufs Erste recht zerfahren, das Durcheinander aus Carpaccio, Samosas, Couscous und Erdäpfelsuppe lässt einen das Schlimmste befürchten. Spätestens wenn man die leichten, sesamknusprigen Falafel am - auch sonst herausragenden - "kleinen Vorspeisenteller" gekostet hat und durch die Küchentür gewahr wird, dass die Tagliatelle für den Mittagsteller ("alle verdure") tatsächlich frisch gemacht werden, ändert sich die Stimmung.

Couscous, Leber, Hirn

Der 28-jährige Koch heißt Mohammed Farhi, er stammt aus Fez. Die marokkanische Küche darf mit ihrem virtuosen Amalgam aus Süße, Salzigkeit und Säure als vielleicht faszinierendste des Orients gelten. Farhi hat nach Stationen in Frankreich, Dubai, Italien aber auch schon in reputierten einheimischen Küchen gearbeitet, etwa das Motto am Fluss mit Mario Bernatovic eröffnet. Wenn es Hühnerleber gibt, fantastisch und scharf gewürzt, aber mild im Eigengeschmack, dann unbedingt ordern: Bessere Hendlleber wird man in Wien (vielleicht mit Ausnahme vom ON in der Wehrgasse) kaum finden.

Couscous Tfaya vegetarisch mit Gemüse, Nüssen und Trockenfrüchten könnte mit seiner Vielfalt an Nüssen, Rosinen, Dörrobst und Sesam auch eine Nachspeise sein. Nur dass es dank vieler Schmorzwiebeln und Kürbis ganz und gar nicht so wirkt. Der souverän luftige Couscous-Grieß macht es endgültig zur Delikatesse - mehr davon!

Kalbshirn, mit Gewürzen und Kräutern knusprig frittiert, wird auf knackigen Salat gebettet, einfach wunderbar. Kibbeh, die saftig-knusprigen, nahöstlichen Fleischtorpedos, hallen mit ihrem Duft nach Zimt und Nelken noch ewig am Gaumen nach. Speisen wie diese finden sich einstweilen nur als Specials auf der Karte - oder als Mittagsteller.

Es lohnt, vorher anzurufen, und ein Menü, am besten in größerer Runde, im Voraus zu ordern: So gut und günstig lässt sich die Vielfalt der Levante sonst kaum in unseren Breiten genießen. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 27.3.2015)