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Vertreterin einer liberalen Sexualität: Anna Fischer-Dückelmann.

Foto: picturedesk.com/ÖNB

Sie war eine der ersten praktizierenden Gynäkologinnen und als Bestseller-Autorin eine der bekanntesten Ärzte ihrer Zeit: Anna Fischer-Dückelmann. Schon in ihrem Namen verbirgt sich ein emanzipatorisches Statement der frühen Feministin: Als die 1856 geborene Anna Dückelmann den Journalisten und Philosophen Arnold Fischer heiratete, entschied sie, ihren Mädchennamen zu behalten - in den 1870ern eine gesellschaftliche Provokation.

Mittlerweile ist die einst bekannte Medizinerin recht in Vergessenheit geraten, und vieles, was man über sie zu wissen glaubt, ist mit Unsicherheiten behaftet. Für ihr Geburtsdatum kursieren verschiedene Tage im Juli 1856, meist wird Wadowice, damals Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie, heute in Polen, als Geburtsort genannt, manchmal auch das oberösterreichische Tragwein.

Frühe Leidenschaft für Medizin

Ihre Kindheit und Jugend verbrachte Fischer-Dückelmann vor allem in Tragwein und Wien. Ihr Vater war k. u. k. Militärarzt, und wegen des frühen Interesses seinerTochter für die Medizin durfte sie ihn auf Visiten in Garnisonsspitälern begleiten, wie Franziska Dzugan in ihrem Beitrag über Fischer-Dückelmann im SammelbandGrenzgänger (Brandstätter-Verlag 2015) schreibt.

In ihren Memoiren schrieb Fischer-Dückelmann über ihre frühe Leidenschaft für Medizin: "Für die Wasserkur begeisterte ich mich schon als Fünfzehnjährige, daneben curierte ich Haustiere, als ich sechzehn Jahre zählte, erschien mein erster hygienischer Artikel gegen das Corset. In dieser Zeit trat der Gedanke an das medizinische Studium zum ersten Male klar vor meine Seele." Im 19. Jahrhundert war daran noch nicht zu denken. 1897 wurden Frauen an der Uni Wien erstmals an der philosophischen Fakultät zugelassen, ab 1900 auch für Medizin.

Wegen der beruflichen Karriere des Mannes zog das Paar nach Frankfurt am Main. Arnold Fischer arbeitete beim Frankfurter Tagblatt, und das Paar gründete die Wochenzeitung Volkswohl, in dem Fischer-Dückelmann über medizinische Themen schrieb. Etwa beklagte sie: "Peinlich bleibt es für viele Frauen, daß sie sich von Männern über die heikelsten Dinge belehren lassen sollen. Wie unmündig unser Geschlecht doch ist, bis es im Stande sein wird, sich durch weibliche Ärzte vor solchen männlichen Eingriffen in ihre innersten Angelegenheiten zu schützen."

Zweifel an der Schulmedizin

In Frankfurt lernte sie Hope Bridges Adams Lehmann, die ersten Gynäkologin Deutschlands, kennen. Mit Kurzhaarschnitt und Hosen war sie Gasthörerin für Medizin. Nur zur Promotion war sie in die Schweiz gefahren, wo Frauen seit 1865 studieren durften. 1890 fasste Fischer-Dückelmann Mut, sich ihren Wunsch zu erfüllen: Als 34-Jährige ging sie mit ihren drei Kindern nach Zürich und nahm das Medizinstudium auf. 1896 schloss sie ab. Doch immer öfter hatte sie Zweifel an der Schulmedizin, besonders kritisch sah sie die Anwendung kaum erprobter Methoden in der Gynäkologie, durch die viele Frauen an Blutungen starben. Sie appellierte an ihre Kollegen, besser zwischen neuen und tatsächlich sinnvollen Methoden zu unterscheiden, und wendete sich selbst immer mehr der Naturheilkunde zu.

Als sie 1896 ihre erste Praxis in Dresden eröffnete, rannten der Frauen- und Kinderärztin die Patientinnen bald die Türe ein. 1900 und 1901 veröffentlichte sie ihre Bestseller Das Geschlechtsleben des Weibes und Die Frau als Hausärztin, mit denen Fischer-Dückelmann sich zwar viele Leser, aber auch Gegner einbrachte - vor allem wegen ihrer liberalen Einstellung zu Sexualität und Verhütung. Etwa schrieb sie: "Die Frau ist keine willenslose Geburtenmaschine mehr." Und auch: "Ebenbürtigkeit des Weibes ist der Schlüssel zu einem neuen Liebeshimmel!" (Tanja Traxler, DER STANDARD, 25.3.2015)