Blickt ins Ungewisse: Ex-Gouverneur Choroschawin.

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Moskau - "Vertrauensverlust" – mit dieser Begründung hat Russlands Präsident Wladimir Putin den Gouverneur der öl- und gasreichen Fernostinsel Sachalin, Alexander Choroschawin, abgesetzt; drei Wochen nach dessen Verhaftung. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm groß angelegte Korruptionsgeschäfte vor. Nach Angaben des Ermittlungskomitees geht es derzeit um Bestechungsvorwürfe in Höhe von fünf Millionen Euro – "und das ist nur eine Episode".

Bei Durchsuchungen in Choroschawin gehörenden Immobilien wurden Anfang März umgerechnet 16 Millionen Euro Bargeld gefunden. Sollte sich der vom Ex-Gouverneur bestrittene Vorwurf der Bestechlichkeit bestätigen, drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft.

Der Fall zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus: Erstens ist Choroschawin der erste Gouverneur, der während seiner Amtszeit inhaftiert wurde - gewöhnlich folgt erst die Entlassung (teilweise sogar rückdatiert) und dann das Strafverfahren.

Entscheidung Putins nach drei Wochen

Zweitens brauchten die politische Führung und die Kremlpartei "Einiges Russland" ungewöhnlich lange, um sich von dem gefallenen Spitzenpolitiker zu distanzieren. Wurde die Mitgliedschaft Choroschawins beim "Einigen Russland" in der vergangenen Woche eingefroren, so ließ sich Putin sogar drei Wochen Zeit mit seiner Entscheidung. Putins Pressesprecher Dmitri Peskow erklärte die lange Auszeit mit der Notwendigkeit, einen passenden Nachfolger zu finden.

Putins Wahl fiel auf Oleg Koschemjako, bisher Gouverneur der ebenfalls in Russlands fernem Osten liegenden Amurregion, den Peskow als "sehr starken Gouverneur" pries, der "in einer wenig wohlhabenden Region seine absolute Effizienz bewiesen hat". Nicht alle Beschreibungen Koschemjakos sind so schmeichelnd.

Nähe zu Kriminellen

Der bekannte Duma-Abgeordnete Alexander Hinstein klagte schon 2005: "Ich weiß nicht, wer Putin die Kandidatur Oleg Koschemjakos untergejubelt hat. Eine größere Diskreditierung der Obrigkeit lässt sich schwer erdenken." Der Ex-Boxer Koschemjako hat sein Kapital im seinerzeit hochgradig kriminellen Fischereigeschäft gemacht. Gegen seine Firma liefen mehrere Prozesse wegen Fischwilderei. Ihm wurde in den Medien sogar die Nähe zu "kriminellen Autoritäten" vorgeworfen.

Der Politkarriere tat dies bislang keinen Abbruch. Das Vertrauen im Kreml besitzt er jedenfalls. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 26.3.2015)