Ist die Krise noch so groß, Louis Vuitton geht's gut. Der Aktienkurs des weltgrößten Luxuskonzerns LVMH Louis Vuitton Moët Hennessy schnalzte Anfang Feber auf einen Rekordwert von 155 Euro je Anteil. Angetrieben wurde dieser Höhenflug vom robusten Mode- und Ledergeschäft, dem Kern-Business der für ihre (Reise-)Taschen berühmten Maison. Wie man hört, wächst aber auch der Geschäftsbereich Uhren jährlich zweistellig. Offizielle Zahlen gibt es freilich nicht.

Foto: Louis Vuitton

Seit 2002 engagiert sich das französische Luxuslabel in der feinen Uhrmacherei. Es drängt damit auf einen potenziell gesättigten Markt. Dessen ist sich auch Hamdi Chatti, Uhrenverantwortlicher der Marke, bewusst. Bevor der 47-Jährige 2010 zu Louis Vuitton stieß, arbeitete er für Montblanc, Piaget und Harry Winston. Er weiß, dass die Konkurrenz für einen Neuankömmling nicht eben klein ist. Nicht zuletzt befinden sich mit Hublot, Zenith und TAG Heuer starke Marken unter dem Konzerndach.

Hamdi Chatti (47) ist seit 2010 verantwortlich für die Uhren der Luxusmarke Louis Vuitton. Davor war der studierte Ingenieur der Mikrotechnologie für Montblanc, Piaget und Harry Winston tätig.
Foto: Louis Vuitton/Mazen Saggar

Doch selbst der zum Teil jahrhundertelange Vorsprung anderer Uhrenmarken schreckt die Franzosen nicht. "Wir wollen auch in der Haute Horlogerie ernst genommen werden", sagt Chatti. Das klingt beinahe kokett. Aber selbstverständlich sind diesen Worten bereits Taten vorangegangen.

Vom Jura nach Genf

Ein erster logischer Schritt war, die Uhrenproduktion direkt in der Schweiz anzusiedeln, konkret in La Chaux-de-Fonds im Jura, wo das entsprechende Know-how zu Hause ist. 2008 wurde dort eine Manufaktur eingerichtet. 2011 wurde dann mit "La Fabrique du Temps" ein kleiner, aber feiner Workshop übernommen, der auf Highend-Uhrenwerke spezialisiert ist.

Foto: Louis Vuitton

Die Akquise von ArteCad und Léman Cadran, zwei Zifferblattherstellern, rundete das Portfolio ab. "Wir sichern uns damit unsere Unabhängigkeit", erklärt Chatti diesen Schritt zur weiteren vertikalen Integration. Eine Strategie, die in Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit in der gesamten Uhrenindustrie feststellbar ist: Auch Erzrivale Hermès hat sich 2006 für 15,7 Millionen Euro 25 Prozent an der Manufaktur Vaucher gesichert, die mehrheitlich im Besitz der Sandoz Familienstiftung ist und unter anderem für Parmigiani Werke produziert.

Vergangenen Oktober wurde schließlich "La Fabrique du Temps Louis Vuitton" eröffnet. Rund 6.000 Quadratmeter ist das Gelände groß, 4.000 lichtdurchflutete Quadratmeter hat die Uhrenfabrik selbst. Betritt man den schlicht gehaltenen Neubau, fällt zunächst die gewundene Stiege auf, die einer Unruhspirale nachempfunden ist.
Foto: Louis Vuitton

Fehlte nur noch eine gemeinsame Adresse. Und weil sich Louis Vuitton auch hier nicht lumpen lässt, hielt man nach einem Grundstück in Genf Ausschau. Fündig wurde man im Vorort Meyrin. Vergangenen Oktober wurde schließlich "La Fabrique du Temps Louis Vuitton" eröffnet. Rund 6.000 Quadratmeter ist das Gelände groß, 4.000 lichtdurchflutete Quadratmeter hat die Uhrenfabrik selbst. Bis zu 25 Millionen Schweizer Franken (damals rund 21 Millionen Euro) soll das gekostet haben. Dafür können die rund 120 Mitarbeiter der Fabrique nun den Kollegen von Chopard zuwinken, deren Produktionsstätte direkt angrenzt.

Ein Handwerkskünstler
benötigt 50 Stunden zur Fertigstellung eines Zifferblatts der "Escale Worldtime" in der speziell zu diesem Zweck ausgestatteten Werkstatt der Manufaktur. Techniken der Miniaturmalerei werden angewendet und Ölfarbe in über 30 Nuancen mit winzigen, aneinandergereihten Pinselstrichen aufgetragen, bevor das Stück in einem 100 Grad Celsius heißen Ofen getrocknet wird.
Foto: Louis Vuitton

Betritt man den schlicht gehaltenen Neubau, fällt zunächst die gewundene Stiege auf, die einer Unruhspirale nachempfunden ist. Die Uhren-Produktion findet in den Untergeschoßen statt. Diese sind keineswegs mit den Fertigungslinien großer Player zu vergleichen. "Wir sind keine Werkeproduzenten und wollen auch keine werden", erklärt Chatti. Geht es um die Werke, werde man "mit den besten Anbietern der Schweiz zusammenarbeiten".

Die schmale Lünette der "Escale Worldtime" (Gehäusedurchmesser 41 Millimeter) sorgt für ein besonders gut einsehbares Zifferblatt, das durch die klare Ablesbarkeit zur "Weltzeit"-Funktion passt. Das Zifferblatt besteht aus drei separaten, beweglichen Scheiben. Diese lassen sich mithilfe der Krone einstellen und werden durch ein von Louis Vuitton entwickelte und gefertigtes Automatikkaliber synchronisiert.
Foto: Louis Vuitton

Was das Handwerkliche betrifft, verlässt man sich auf die Kompetenz von Enrico Barbasini und Michel Navas, Gründer der "Fabrique du Temps". Die beiden Meister waren unter anderem für Audemars Piguet und Patek Philippe tätig und haben sich mit komplizierten Kalibern einen Namen gemacht.

Für ihren neuen Auftraggeber entwickelten sie den "Tambour Minute Repeater", einen hochkomplexen Zeitmesser mit Läutwerk, der auch bei skeptischen Fachleuten, die Louis Vuitton zunächst als weitere Modemarke im margenträchtigen Uhrengeschäft ansahen, gut ankam.

Originelle Funktionen

Großen Wert legt die Maison auf das Äußere ihrer Zeitmesser. So überraschte Louis Vuitton die Fachwelt im vergangenen Jahr mit der "Escale Worldtime". Die bunte, aufwendig gestaltete Uhr kommt mit einer originellen Reisezeitfunktion daher. In Miniaturmalerei bewanderte Spezialisten tragen die Ölfarbe für die bunten Symbole mit winzigen, sorgfältigen Pinselstrichen auf. Rund 50 Stunden benötigt ein Handwerker für ein Exemplar. Selbstverständlich wird auch das ikonische Monogramm zelebriert - es ist auf Zifferblättern, Rotoren, Kronen zu finden.

Auf Zifferblättern, Kronen und - wie auf dem Foto zu sehen - auf Rotoren ist das ikonische Monogramm zu sehen.
Foto: Louis Vuitton

Verkauft werden die Zeitmesser ausschließlich in den hauseigenen Boutiquen. Auf diese Weise lassen sich die Preise exakt kontrollieren und Graumarkt-Aktivitäten wirkungsvoll unterbinden.

Ehrgeizige Ziele

"Unser Ziel ist es, den Poinçon de Genève, die Genfer Punze, zu erlangen", sagt Chatti am Ende des Gesprächs. Das ist ein weiterer Grund für den Umzug nach Genf - denn nur Uhren, die im gleichnamigen Kan-ton hergestellt werden und stren- gen Qualitätskriterien entsprechen, können dieses in der Uhrenwelt hoch angesehene Gütesiegel erlangen.

Louis Vuitton legt sich die Latte also sehr, sehr hoch. Es ist anzunehmen, dass hinter den Kulissen fleißig daran gearbeitet wird, dieses Ziel zu erreichen. (Markus Böhm, Rondo Exklusiv, DER STANDARD, 2.4.2015)