Mobbing ist in der Gesellschaft von heute zu einem Dauerbrenner geworden. Mobbing gegen Frauen, Mobbing am Arbeitsplatz, Mobbing in der Schule. Übereinstimmende Meinung dazu: ausgesprochen unerfreulich, geht gar nicht. Die Meinungen gehen nur dort auseinander, wo mit schmerzlicher Häufigkeit Mobbing als obrigkeitliche Reaktion auf einen Widerstand gegen die Staatsgewalt betrieben wird, der sich allein dem Auge uniformierter Betrachter erschließt, wo diese gerade in Stimmung sind, desgleichen niederzuringen. Da findet sich Verständnis für solche Amtshandler regelmäßig gerade dort, wo man sich entschiedenes Auftreten gegen Mobbing aller Art, wenn schon nicht als demokratische Selbstverständlichkeit, so wenigstens als inneres Bedürfnis, erwarten würde - bei den unmittelbaren Vorgesetzten, bei der Justiz, bei der Polizeiministerin, in der - so ein Zufall! - Freiheitlichen Partei. Personalvertreter und Kronen Zeitung
sind ohnehin dazu verpflichtet.

Hier angelangt, ist die Feststellung fällig: Jetzt nur nicht verallgemeinern! Die überwiegende Mehrheit der Exekutivbediensteten absolviert den Dienst freundlich, korrekt und innerhalb der Grenzen der allgemeinen Menschenrechte, sie sind vor dem Misstrauen zu schützen, dem die staatsschützende Überbeflissenheit sensibler Kollegen im Kampf gegen staatsbürgerliche Aufmüpfigkeit sie ausliefert. Kein Wunder, dass das Motto "Die Polizei, dein Freund und Helfer" nostalgische Gefühle weckt, wenn gelegentliche Beamtshandlungen die Grenzen zwischen Mobbing und Folter für Betroffene verschwimmen lassen. Etwa nach Namen oder Dienstnummer eines Polizisten zu fragen ist ungebührliche Neugier. Die mag bei der NSA bekannt sein, einen hiesigen Steuerzahler geht sie gar nichts an. Und wer findet, ein halbes Dutzend Polizisten gegen eine betrunkene Frau wäre ein unausgewogener Kampf, unterschätzt eben die Gefahren der Emanzipation.

Statistiken, wonach Fälle polizeilicher Misshandlungen zurückgehen, helfen da nicht viel, wenn sie zeigen, dass - 2013 - von noch immer 546 (!) Fällen bei der Staatsanwaltschaft 504 Verfahren eingestellt werden und es nur in zwei Fällen zu Schuldsprüchen kommt. Sie helfen umso weniger, als in den 546 Fällen jene nicht eingeschlossen sind, die erst gar nicht angezeigt werden, weil sich Betroffene keine Chancen auf Gerechtigkeit ausrechnen. Ganz zu schweigen, wenn ein Trommelfellriss mit der zeitweiligen Versetzung in den Innendienst abgegolten sein soll.

Auch die Häufung der Einzelfälle wird nichts daran ändern, dass die Verantwortlichen weiter mauern. Gut wäre die Wiedereinführung des Untersuchungsrichters, und dringender als Hubschrauber wären Deradikalisierungskurse für Beamte, die das brauchen. Sind auch billiger. Aber was macht die Ministerin? Sie dankt den jüngst ins Zwielicht Geratenen, die Sicherheitssprecher der Parteien, Grüne ausgenommen, im Schlepptau - Polizeibüttel statt Volksvertreter. Eine ziemlich miese Art, einen Übelstand zu prolongieren und die Augen vor der Verantwortung zu verschließen. Aber es gibt noch Hoffnung. Wenn sonst nichts, Videoüberwachung bringt es an den Tag, immer öfter. (Günter Traxler, DER STANDARD, 27.3.2015)