Wien tickt anders. Während kleine Gemeinden quer durchs Land ihren Handel sonntags munter Touristen öffnen, ist die Bundeshauptstadt zu keinem sachlichen Diskurs über Tourismuszonen fähig. Stattdessen schwingen die Sozialpartner moralische Keulen, wedeln mit dünnen Studien und werfen sich gegenseitig Gesprächsverweigerung vor.

Es geht hier nicht um den Niedergang des heiligen Sonntags. Dass Shoppen an sieben Tagen die Woche der Wirtschaft keine Mehrumsätze bringt und die Arbeitsbedingungen für Handelsangestellte, die überwiegend Frauen sind, massiv verschlechtert, hat sich längst herumgesprochen. Ziel ist es aber, in Wien einen Spielraum zu schaffen, von dem andere Bundesländer friktionslos profitieren.

Solange dieser nicht zu einem Türöffner für die generelle Sonntagsöffnung wird und die Beschäftigten faire finanzielle Zuschläge erhalten, wird sich ein Kompromiss mit der Gewerkschaft finden lassen. Die wirkliche Hürde zur Wiener Tourismuszone verbirgt sich jedoch in den eigenen Reihen der Wirtschaftskammer: Die Gretchenfrage ist, wo denn die Grenze exakt zu ziehen ist, die sonntags offene von versperrten Geschäften trennt. Einkaufscenter und mächtige Handelsketten werden sich durch ein paar Hochrechnungen über Nächtigungszahlen und Sehenswürdigkeiten nicht so einfach aussperren lassen und friedlich zusehen, wie der Kundenstrom an ihnen vorüberzieht. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 27.3.2015)