Franzmair trägt Oregons "O" auf der Brust und einen Staffelstab.

Foto: Matthew Taylor

Vier für ein Ziel: Das Staffelteam.

Foto: Matthew Taylor

Eugene/Wien - Spring Break in den USA, da zieht es viele Studenten nach Hause oder in wärmere Gefilde. Niki Franzmair hat es weder da- noch dorthin gezogen, er ist in Eugene, Oregon, im Nordwesten der Staaten geblieben. Das Zuhause, Linz, ist ziemlich weit weg, Luftlinie ungefähr 9000 Kilometer. Und Franzmair muss auch nicht Party machen, das Leben in den vergangenen drei, vier Monaten war abwechslungsreich genug. Der seit Februar 20-Jährige genießt die Ruhe, die auf dem Campus herrscht, trainieren muss und will er sowieso.

Niki Franzmair ist Österreichs hoffnungsvollster 800-m-Läufer, seine Qualität bescherte ihm ein Stipendium an der University of Oregon. In den Schoß gefallen ist es ihm nicht. Zwar hatten ihn mehr als 20 Universitäten kontaktiert, weil sie ihn quasi an Bord holen wollten, doch ausgerechnet Oregon, das Nonplusultra für laufende Studenten oder studierende Läufer, war nicht darunter. Franzmair ist bei den "Ducks", wie das Uni-Team sich nennt, also selbst vorstellig geworden, er skypte mit Trainern, erledigte "extrem viel Papierkram". Der Aufwand sei groß, aber lohnend gewesen. "Schließlich ist Oregon in der Leichtathletik, was Barcelona im Fußball ist."

Radeln und sparen

Anfang Jänner hat Franzmair in Eugene eingecheckt. Die mit circa 160.000 Einwohnern, darunter 21.000 Studenten, zweitgrößte Stadt Oregons nach Portland hört auch auf "Track Town USA", weil die Leichtathletik (Track & Field) dort so hohes Ansehen genießt. Der Österreicher bezog mit zwei Baseballern ein Apartment in unmittelbarer Uni-Nähe, im Herbst zieht er mit einem Teamkollegen zusammen, dann wohnt er noch näher beim Stadion, derzeit radelt er sieben Minuten zum Training. Das Stipendium spart Franzmair 40.000 US-Dollar jährlich, Trainer und Professoren ließen ihn wissen, dass sie für die Dauer des Studiums, für gut vier Jahre, mit ihm rechnen und planen.

Studiert wird mehr als nur nebenbei, Oregon hat auch punkto Lehre einen sehr guten Ruf. Die Ducks verlangen von ihren Sportlern einen Notenschnitt von umgerechnet 3,0, Franzmair liegt umgerechnet bei 1,2. Er hat "Planning, Public Policy and Management" (PPPM) inskribiert, sein Studium habe "viel mit Architektur und umweltfreundlichen Aspekten zu tun", inkludiere aber auch drei Science- und drei History-Klassen. Franzmair: "Du musst permanent lernen, es gibt viele Tests, oft vier oder fünf in der Woche. Dafür sind die Tests nicht so riesig wie in Österreich, man muss effizient lernen." Manchmal reichen einige Stunden am Abend, um auf einen Test am nächsten Tag vorbereitet zu sein. Die ersten Wochen waren stressig, auch der neuen Unterrichtssprache wegen, doch mittlerweile hat Franzmair "den Dreh heraußen".

Essen und trainieren

Die Tage sind ausgefüllt. Mit Tests, mit Klassen, natürlich mit Training. Um 6.45 Uhr läutet der Wecker, fünf Minuten später beginnt Franzmair mit seinem dreißig- bis vierzigminütigen Morgenlauf, die Sachen hat er sich schon am Abend hergerichtet. Die Umgebung kann sich sehen lassen, es gibt unzählige Laufwege. Anfänglich rannte Franzmair oft zu lange, weil er aus dem Schauen nicht herauskam. Fürs Frühstück mit allen anderen Uni-Sportlern muss er nur einmal umfallen, das Angebot lässt keine Wünsche offen. Am Vormittag wird gelernt, am Nachmittag trainiert. "Ein normales Training dauert viel länger als früher in Österreich", sagt Franzmair, "oft vier bis fünf Stunden lang." Es umfasst Einlaufen, harte Tempoläufe, Krafttraining, Koordinationsübungen, Hürdentraining, Stretching und/oder Yoga.

Die Möglichkeiten und die Konkurrenten im Training sind sonder Zahl. "Bei einem lockeren Dauerlauf habe ich kürzlich dreißig Läufer gezählt", sagt Franzmair. "Und bei den harten Läufen gibt es immer jemanden, mit dem ich mich pushen kann. Hier habe ich einige gleich starke und auch stärkere Trainingspartner. In Österreich bin ich meistens alleine gelaufen." Die Ducks profitieren von der Nähe zur in Eugene ansässigen Firma Nike, deren Gründer Bill Bowerman einst an der Uni als Sporttrainer wirkte. Franzmair fragt sich "manchmal, ob Geld eine Rolle spielt", Ausrüstung und Geräte sind auf dem letzten Stand. Zum Beispiel kann man in einem speziellen Anzug, der an einen Luftballon erinnert, auf einem speziellen Laufband rennen - da lasse sich ein anderes, meist geringeres Körpergewicht einstellen, das sei etwa nach Verletzungen äußerst hilfreich.

Laufen und siegen

Die Ducks bestreiten regelmäßig größere und kleinere Uni-Wettkämpfe. Kürzlich hat Franzmair quasi Historisches geschafft, als er bei den US-weiten Hallenmeisterschaften der Studenten (NCAA) in Fayetteville, Arkansas, als erster Österreicher gleich zwei Titel holte - jenen in der Teamwertung sowie jenen in einer ganz speziellen Staffel, in der der erste Läufer 1200 Meter, der zweite 400 Meter, der dritte (Franzmair) 800 Meter und der Schlussläufer eine Meile zu absolvieren hatte. Franzmair war 1:46,99 Minuten lang unterwegs, das kann sich sehen lassen, es fehlt nicht viel auf seine persönliche Bestmarke (1:46,7). Auch der österreichische Rekord von Michael Wildner (1:46,21) aus dem Jahr 1992 scheint in Reichweite. "Irgendwann einmal sollte er fallen", sagt Franzmair.

Nächstes Jahr will er sich für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro qualifizieren, heuer ist die U23-WM ein Thema, die WM in der allgemeinen Klasse kommt vielleicht noch zu früh. Das große Saisonziel ist aber das NCAA-Finale im Freien, es findet Mitte Juni nicht irgendwo statt, sondern an der Uni von Oregon. Die Ducks haben Heimvorteil, in ihrem Stadion (Hayward Field) werden Zusatztribünen errichtet, 20.000 Zuseher sollen Platz finden. Eugene will seinem Spitznamen alle Ehre machen, "Track Town USA" - und Niki Franzmair mittendrin. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 27.3.2015)