Foto: Mumok / LAURENT ZIEGLER

Wien - Zunächst ist da der stechende Geruch von Gummi, Arien dringen ans Ohr. Der Blick fällt auf Objekte, deren Bedeutung sich nicht sofort erschließt: eine schwarze Plane mit Löchern, Vitrinen, ein seltsam geformtes Pult, ein Holzsarg, ein Architekturmodell. Den Raum zu entschlüsseln bedarf einiger Zuwendung.

Ludwig Goes Pop heißt die aktuelle Ausstellung im Mumok, zu der auch die hier beschriebene Installation des Londoner Künstlerkollektivs Villa Design Group gehört. Auf insgesamt vier Ebenen zeigt das Museum die stattliche Pop-Art-Sammlung ihrer Stifter Peter und Irene Ludwig. Das Stück, auf das sich die Villa Design Group in ihrer raumgreifenden Arbeit bezieht, ist im obersten Saal zu sehen: Claes Oldenburgs Mouse Museum von 1965, ein Schlüsselwerk der Pop Art. Das begehbare Museum mit dem Grundriss eines Mickey-Mouse-Kopfes persifliert überkommene Museumskonzepte und Kommerzwahn, indem es lange Vitrinen voller Plastikkitsch und nutzloser Souvenirs zur Schau stellt.

Villa Design Group, die Literatur, Film, Theater, Mode und Design für ihre Installationen kombinieren, denken einen Schritt weiter und entwerfen mit dem Bernard Natan Center for Arts gleich ein Museum für die gesamte Pop Art. Namensgebend ist der rumänisch-französische Regisseur und erste homosexuelle Pornodarsteller Bernard Natan, eine schillernde Figur der 1930er-Jahre. Er steht hier beispielhaft dafür, wie Paris als Hauptstadt der Kunst-Avantgarde abgelöst wurde - in den 1960ern übernahmen die Protagonisten der Pop Art aus New York. Natan trug seines dazu bei, indem er die ersten Mickey-Mouse-Produkte nach Europa importierte: Elemente wie Hitler-Persiflagen stießen auf den Widerstand französischer Nationalisten. 1942 wurde er im KZ Auschwitz ermordet. In dem ihm gewidmeten, die Gotik zitierenden Museumsmodell bekommt das Mouse Museum einen Ehrenplatz. Architektonisch zitiert man die Gotik und die Form eines Schiffs.

Mit einer an die Wand gehängten Gummiplane samt Bullaugen wiederholt man die Schiffsmetapher. Sie soll Assoziationen zu Liniendampfern wecken, die einst zwischen den Kontinenten verkehrten und für den Kulturaustausch zwischen Alter und Neuer Welt sorgten. Auch auf eine Ikone der jüngeren Popkultur - den Film Titanic - will man anspielen. Zwei Kleider und der Phallische Schuh von Yayoi Kusama fügen dem Titanic-Deck auch eine feministische Note hinzu.

In einem zweistündigen Promotionfilm erklärt die Künstlergruppe Detailpläne und streift dabei eine Unzahl an Zeitdokumenten zur Pop Art. Auch Natans erster Pornofilm, Le ménage moderne du Madame Butterfly, kommt vor, der mit Arien aus Puccinis Oper gemischt wird.

Eine Leuchtreklame, die Bruce Nauman und Jasper Johns zitiert, hat inhaltlich Andy Warhols Film L'Amour von 1973 zum Thema. In diesem erklärt Modezar Karl Lagerfeld seine Sicht auf den Wettstreit der Kunstmetropolen: "Wenn du Amerikaner in Paris bist, reise ab, wenn du Pariser in New York bist, geh nach Hause." (Stefan Weiss, Spezial, DER STANDARD, 28./29.3.2015)