Kommissar Borowski (Axel Milberg) und Leon (Amar Saaifan) in "Tatort - Borowski und die Kinder von Gaarden".

Foto: ORF/ARD/Christine Schroeder

Ein Kommissar alter Schule vertraut seinem Instinkt, nicht dem Augenschein der Fakten. Timo Scholz soll den Hartz-IV-Empfänger Onno Steinhaus ermordet haben. In einem im Netz verbreiteten Video ist zu sehen, wie er neben dem aktenkundigen Pädophilen im Bett döst. Die öffentliche Bloßstellung wäre ein Motiv. Doch Borowski (Axel Milberg) lässt den 15-jährigen Jungen zum Erstaunen seiner Kollegin gehen. Er glaubt Timo, der wie ein verängstigtes Tier wirkt.

Parallelgesellschaft, Mobbing, sexuelle Ausbeutung: Der Kieler Tatort "Borowski und die Kinder von Gaarden" (Sonntag, 20.15 Uhr) bewegt sich im Milieu der Wohlstandsverlierer, einer Sozialbautensiedlung, für die die "Projects" aus The Wire Pate gestanden haben könnten. Innerhalb der eigenen vier Wände ist der Tonfall rüde wie auf der Straße. Den kaputten Steinhaus hatten die Jungs allerdings gern. Denn er schmiss in seiner Wohnung die besten Partys.

Das Thema Kinderarmut im eigentlich hübschen Stadtteil Gaarden habe sie interessiert, sagten die Tatort-Autoren im Interview. Der Plot wirkt etwas großmaschig um die sozia- len Beobachtungen herumgestrickt. Den lokalen Cop ergänzt das große Kino: Mit seinen Sonnenbrillen sieht er aus, als wäre er aus Dennis Hoppers L.A.-Drama Colors entlehnt. Überall erscheint er verdächtig früh. Dass ihn Borowskis Kollegin Sarah (Sibel Kekilli) von früher kennt, als er noch "Rauschi" war, macht ihn nicht viel sympathischer.

Und Borowski selbst? Der bleibt ein Gegenpol zu dieser kalten Welt. Rechtschaffen, ein wenig dusselig, eher lächerlich, wenn er autoritär sein will. Das funktioniert. Er ist der gute Deutsche an einem Ort, den er nicht mehr richtig versteht. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 28/29.3.2015)