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Der blinde Reporter Dean du Plessis kommentiert Cricketspiele, aber nicht das Finale des Cricket World Cup.

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Im Endspiel am Sonntag in Melbourne trifft Aaron Finch (rechts) mit Australien, das im Halbfinale Titelverteidiger Indien (im Bild MS Dhoni) bezwang, auf Neuseeland.

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Eine der Videokommentare von Dean du Plessis

Dean du Plessis

Melbourne/Wien - Was die WM im Cricket für die ehemaligen englischen Kolonien bedeutet, kann man sich in Österreich kaum ausmalen. Das wird erst dann nachvollziehbar, wenn jemand darüber spricht, der nicht dabei sein darf, obwohl das sein sehnlichster Wunsch wäre - wie Dean du Plessis. Der 38-Jährige aus Zimbabwe bezeichnet sich selbst als ersten blinden Cricket-Kommentator der Welt. Du Plessis hört, ob ein Ball gut getroffen wurde. Wenn ja, macht es ein "Klack", wenn nicht, ist der Ton des Schlagholzes viel höher. Du Plessis kann alle Schlagmänner und Bowler, also Werfer, unterscheiden. Dank seiner guten Ohren und sensibler Mikrofone, die für die Fernsehübertragungen an den Toren angebracht wurden, vermag er die Geräusche des Crickets zu unterscheiden, angefangen bei der Schnelligkeit des Balles bis hin zu den Schritten des Werfers.

Cricket fasziniert Du Plessis seit der Kindheit. Da lauschte er abends einem Radiosender aus Südafrika. Damals war das mediale Interesse am englischen Traditionssport noch wesentlich geringer. Aktuell lockt bei der Cricket-WM ein Schlagerspiel wie Indien gegen Pakistan eine Milliarde Menschen vor die Bildschirme. Mehr als das Finale der Fußball-WM 2014, das rund 700 Millionen Menschen gesehen haben.

Höfliche Menschen

In Indien, zumal in der Hauptstadt Neu-Delhi, wird in allen Parks Cricket gespielt. Zuweilen dauern die Spiele tagelang, allerdings nicht bei der WM, die in der Form One-Day-Cricket ausgetragen wird. So oder so handelt es sich um eine Leidenschaft höflicher Menschen. Wie sehr auch die Zeit drängt, solange es Chancen auf einen Sieg gibt, darf jeder Angriff zu Ende gespielt werden. Das führt auch dazu, dass Cricket, das dem Baseball ähnelt, als langweiligster Sport verschrien ist.

Nicht für Dean du Plessis. Er spricht während des Spiels so, dass die meisten Hörer nie und nimmer vermuten würden, dass ein Mann kommentiert, der das Geschehen auf dem Rasen gar nicht sehen kann. Du Plessis ist von Geburt an blind. Cricket faszinierte ihn schon in der Kindheit, er kommentierte es zuerst für sich, dann für tatsächliches Publikum. In der Schule, die er als einer der weniger Privilegierten von Zimbabwe in Südafrika besuchte, wurde er wegen seiner Cricketbegeisterung und für das Kommentieren imaginärer Spiele ausgelacht. Ein Lehrer fand ihn allerdings brillant: "Dean, du solltest das später beruflich machen." So begann die Reporterkarriere.

Dean du Plessis ist ein wandelndes Lexikon, er weiß alle Resultate, kennt alle Spieler der vergangenen 30 Jahre. Und er weiß auch um die Marotten jedes einzelnen Spielers. "Manche Werfer erkenne ich daran, dass sie vor dem Wurf Selbstgespräche führen, andere grunzen und stöhnen oder wiederholen immer dieselben Sätze. Der inzwischen zurückgetretene Andrew Strauss sagt, bevor er den Ball trifft, 'Yeah C'mon C'mon', er würde nie etwas anderes sagen." Der Engländer Kevin Pieterson stöhne stets bei seinem berühmten Schlag. "Mir passieren selten Fehler", sagt Du Plessis, "vor allem als Co-Kommentator bin ich in meinem Element."

Ein Traumfinale

Im WM-Finale treffen am Sonntag in Melbourne Neuseeland und Gastgeber Australien aufeinander, der Titelverteidiger Indien aus dem Turnier warf und die WM zum fünften Mal gewinnen kann. Die Neuseeländer, die ihren ersten Titel anstreben, setzten sich gegen Südafrika durch.

Dean du Plessis schreibt einen Blog über die WM, über Cricket, er twittert, er erstellt Videoanalysen, er sagt, da er schon bei so vielen Matches mit dabei war, hört er die Spiele nicht, er sieht sie. Und er träumt: "Große internationale Sender schrecken davor zurück, einen Blinden anzustellen. Ich hoffe, eines Tages klingelt das Telefon bei mir, und ein Programmdirektor bietet mir einen Job an. Nicht weil ich blind bin, sondern weil ihm gefällt, wie ich die Spiele kommentiere."

Die Hoffnung ist da, alle vier Jahre bei der Cricket-WM. (Tamás Dénes, DER STANDARD, 28.3.2015)