Csaba Tarsoly (50), Eigentümer und Generaldirektor der Wertpapierholding Quaestor

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Er galt als geschmeidig, umgänglich, politisch bestens vernetzt. Manche hielten ihn sogar für ein Finanzgenie. "Wenn ihn jemand um Hilfe bat, half er ihm aus der Patsche, mit Geld oder mit Arbeit", erinnert sich ein Fan im Boulevardblatt Bors. Doch jetzt sitzt Csaba Tarsoly (50), Eigentümer und Generaldirektor der Wertpapierholding Quaestor, selbst tief in der Patsche.

Seit Sonntag befin- det er sich in Untersuchungshaft. Quaestor soll fiktive Anleihen im Wert von einer halben Milliarde Euro aufgelegt haben - das macht etwa ein halbes Prozent des ungarischen Bruttoinlandsprodukts aus.

Gründerzeitfieber

Tarsoly entstammt einem spezifischen Biotop, wie es die postkommunistischen Transformationsgesellschaften hervorbrachten. Zum Zeitpunkt der Wende 1989/90 gerade mit dem Wirtschaftsstudium fertig geworden, befeuerten Menschen wie er das damalige Gründerzeitfieber. Handel mit Aktien und Wertpapieren, Immobilien-Entwickeln, Brokern: All das war neu, all dem haftete der Glamour der neuen Zeit an, all dies verhieß unermesslich viel Geld.

So stellten sich zumindest viele den neuen Kapitalismus nach dem drögen Sozialismus vor. Doch es war eine Illusion. Viele der Talente von damals blieben auf der Strecke. Andere wie Tarsoly täuschten sich und ihre Umwelt über den Niedergang hinweg, indem sie ein "Pyramidenspiel" betrieben: Sie nahmen immer neues Geld auf, das nicht produktiv angelegt wurde, sondern nur die alten Schulden bediente. Bis die Blase platzte - und die Handschellen klickten.

Politische Seilschaften

Ihr Ende vermochten Tarsoly und seine ebenfalls in der Holding tätige Ehefrau lange Jahre hinauszuzögern, weil sie politische Seilschaften schützten. Die damals regierenden Sozialisten finanzierten ihm, dem Präsidenten des Fußball-Erstligisten ETO Györ, den Bau eines Stadion-Hotel-Komplexes. Die katholische Kirche vertraute ihm einen Teil ihrer Gelder an.

In den letzten Jahren war er mit Péter Szijjártó befreundet, dem Außenminister des Rechtspopulisten Viktor Orbán. In Moskau betrieb Quaestor ein Visa-Zentrum, in das man konsularische Aufgaben outsourcte.

Spuren verwischen?

Helfen ihm seine mächtigen Freunde noch? Jedenfalls verging auffallend viel Zeit zwischen Tarsolys Bankrott-Ankündigung und seiner Festnahme. Der Oligarch könnte noch Gelder versteckt und Beweise vernichtet haben - und vielleicht auch Spuren, die seine Freunde in ein noch schieferes Licht rücken würden. (Gregor Mayer, DER STANDARD, 31.3.2015)