Wien - Würde schon jetzt - und nicht erst in einem halben Jahr - ein neuer Gemeinderat und Landtag für die Bundeshauptstadt gewählt, so kämen die Sozialdemokraten mit 37 Prozent auf einen historischen Tiefststand. Nur einmal, 1996, hatte die Partei von Bürgermeister Michael Häupl bisher die 40-Prozent-Marke verfehlt.

37 Prozent für die SPÖ – ein Minus von rund sieben Prozentpunkten – und 14 Prozent für die Grünen. Das ist laut aktueller Hochrechnung des Linzer Market-Instituts die Ausgangslage für die wackelige rot-grüne Koalition in der Bundeshauptstadt.

FPÖ noch nicht am angepeilten Wahlziel

Für die Freiheitlichen ist der zweite Platz sicher, mit hochgerechneten 29 Prozent (etwa drei Prozentpunkte mehr als bei der Wahl 2010) bleibt der Abstand zur SPÖ aber deutlich. Parteichef Heinz-Christian Strache hat im Herbst vorgegeben, dass die FPÖ 30 bis 40 Prozent brauchen würde, um Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) zu stürzen.

Wobei nach den Daten dieser Umfrage fraglich wäre, mit wessen Hilfe Strache das gelingen würde: Denn die ÖVP schneidet in der Standard-Umfrage des Market-Instituts noch schwächer ab als bei der vergangenen, von den Konservativen als desaströs empfundenen Wahl.

Häupls derzeitiger Koalitionspartner, die Grünen, wird in der aktuellen Hochrechnung des Market-Instituts für den STANDARD mit 14 Prozent nur unwesentlich besser eingeschätzt als bei der Wahl im Jahr 2010, als Maria Vassilakou und ihre Partei 12,64 Prozent erreicht haben.

Market-Institutsleiter David Pfarrhofer führt das auch auf das thematische Umfeld zurück, das im Vorfeld der Wahlen herrscht: "Die Themen, mit denen die Grünen in Wien wahrgenommen werden, seien das nun Begegnungszonen oder Änderungen im Wahlrecht, rangieren im Kontext ganz weit hinten."

Ungeliebtes Grünen-Thema Begegnungszonen

Der STANDARD ließ 404 repräsentativ ausgewählte Wiener Wahlberechtigte befragen, welche Themen der Wiener Landespolitik sie persönlich als besonders wichtig (oder eben unwichtig) empfinden. Begegnungszonen bekamen auf der fünfstufigen Notenskala von 28 Prozent der Befragten ein "nicht genügend" - Durchschnittsnote 3,29. Nur 14 Prozent hatten neue Begegnungszonen und Fußgeherzonen als "sehr wichtig" eingestuft.

Pfarrhofer: "Das ist ein Thema, das fast ausschließlich bei jüngeren Befragten positive Assoziationen erweckt, von denen gibt es im Schnitt die Note 2,88. Am schlechtesten urteilen die Wähler von FPÖ und ÖVP und nicht viel besser die politisch Unentschlossenen. Das zeigt, dass man mit diesem Thema kaum zusätzliche Wähler gewinnen kann, auch wenn die Grün-Wähler selber den Begegnungszonen auffallend oft ein 'sehr gut' geben."

Unbedeutende Radfahrer, bedeutende Schulfragen

Ähnlich, wenn auch nicht so deutlich differenzierend, sieht das Antwortmuster für die Frage nach den Verbesserungen für Radfahrer aus.

Die Grafik verdeutlicht: Als wichtigstes Thema sehen die Wiener die Verbesserung des Schulwesens - dafür gibt es die Note 1,57, Frauen und Jungwähler geben tendenziell sogar noch bessere Noten für das Thema. Und: Die Schulen sind Wählern der ÖVP und der Grünen ebenso wie den politisch Indifferenten überdurchschnittlich wichtig, hier läge also ein Mobilisierungspotenzial, wenn das Thema richtig angesprochen wird.

Wunsch nach Vereinfachung

Ganz hoch oben auf der Prioritätenliste steht auch der Wunsch nach Vereinfachung von Behördenwegen und nach Einsparungen in der Verwaltung.

Der Ausbau der Kinderbetreuung liegt dagegen nur im guten Mittelfeld. Auch hier liefert ein Blick in die Details der Umfrage einen Hinweis: Männern ist dieses Thema deutlich weniger wichtig als weiblichen Befragten, auch Menschen ohne eigene Kinder im Haushalt geben hier eher zurückhaltende Antworten.

Andere Haltung zu "Zuwanderung" als zu konkreten "Zuwanderern"

Klar unterschiedlich in den verschiedenen Gruppen von Befragten fallen die Antworten auch bei den Themenbereichen Regelung von Zuwanderung und Integration von Zuwanderern aus. Männer nehmen die Regelung der Zuwanderung deutlich wichtiger als weibliche Befragte, es gibt auch einen Zusammenhang zwischen Alter und Bildung der Befragten und deren Haltung zu der Frage, analysiert Pfarrhofer: "Ältere und weniger gebildete Befragte nehmen den Regelungsbedarf überdurchschnittlich wichtig."

Dasselbe Thema als "Integration von Zuwanderern" auf eine persönliche Ebene gehoben, zeigt ein anderes Bild: Die Integration ist Frauen, höher gebildeten Befragten, aber auch Befragten über 50 sehr wichtig.

Erklärte Wähler der Grünen nehmen Integration von Zuwanderern sehr wichtig, die (abstrakte) Regelung der Zuwanderung bekommt deutlich unterdurchschnittliche Noten. Bei den erklärten FPÖ-Wählern ist das genau umgekehrt.

ÖVP verliert weiter, aber auch Grüne geben an Neos ab

Die ÖVP könnte mit zwölf Prozent rechnen, das wäre gegenüber dem Wahlgang von 2010 ein weiterer Verlust von rund zwei Prozentpunkten und nur der vierte Platz. Und die Neos könnten mit sieben Prozent in den Wiener Gemeinderat kommen.

Pfarrhofer: "Die Neos können in Wien der ÖVP nicht mehr viel wegnehmen, die ÖVP hat ja eine Stammwählerschaft, auch wenn diese nicht mehr sehr groß ist. Unsere Daten deuten bei allen Unsicherheiten der kleinen Stichprobe darauf hin, dass viele Neos-Wähler in Wien ehemalige Grün-Wähler sind." (Conrad Seidl, DER STANDARD, 7.4.2015)