Gabriele Heinisch-Hosek: "Reden kann man über alles."

Foto: Matthias Cremer

Wien - Sollte die Regierung die Unterrichtsverpflichtung der Lehrerinnen und Lehrer tatsächlich erhöhen wollen, dann muss sie sich auf härteste Auseinandersetzungen mit der Lehrergewerkschaft einstellen. Denn die Reaktionen auf die von der "Krone" am Freitag kolportierten Pläne für eine höhere Lehrverpflichtung zur Deckung budgetärer Löcher stößt schon jetzt auf erbitterten Widerstand bei roten wie schwarzen Lehrergewerkschaftern.

Nachdem sein sozialdemokratischer Kollege Heinrich Himmer, der Vizevorsitzende der BMHS-Lehrergewerkschaft, die Regierung bereits wissen ließ: "Das bedeutet Arbeitskampf", machte auch AHS-Lehrergewerkschaftsvorsitzender Eckehard Quin (Fraktion Christlicher Gewerkschafter, FCG) im STANDARD-Gespräch eine definitive Ansage zu einer etwaigen Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung: "Inakzeptabel. Das kommt absolut nicht infrage. Das gibt eine offene Feldschlacht, wenn die Regierung meint, das realisieren zu wollen."

"Krieg" der Ressorts ums Geld

Aber der ÖVP-Gewerkschafter geht ohnehin "davon aus, dass das kein in der Regierung akkordiertes Konzept ist. Jetzt ist halt der Krieg ausgebrochen zwischen den Ressorts, die um ihre Budgets kämpfen."

Dass jemand auf die Idee komme, sich über eine höhere Lehrverpflichtung schnelles Geld für das Bildungsbudget zu holen, "kommt jedes Jahr einmal. Wollen kann man viel", und es liege ja auch nahe, sich bei Personalkosten von rund 92 Prozent aus dem Budget in diesem Bereich auf die Suche zu machen: "Man kann das so machen wie Elisabeth Gehrer damals über eine Kürzung der Stundentafel – oder man denkt sich eine höhere Unterrichtsverpflichtung aus", sagt Quin, "Da gibt es viele Möglichkeiten."

Heinisch-Hosek und der "alte Vorschlag"

Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) betonte am Freitag zwar, man sei von konkreten Gesprächen weit entfernt, aber sie könne sich prinzipiell eine "Neubewertung" des "alten Vorschlags" zur Anhebung der Unterrichtsverpflichtung vorstellen: "Reden kann man über alles." Sie wolle jetzt aber vor allem beruhigen, für Gedanken an Kampfmaßnahmen sei es viel zu früh.

Laut einer allerdings schon vor mehreren Jahren erstellten Berechnung ihres Ressorts spare eine Wochenstunde zusätzlicher Lehre eine Summe zwischen 150 und 180 Millionen Euro. Man sei allerdings noch mit niemandem zu der Frage in Kontakt getreten. Es gelte erst zu klären, woher der Vorschlag überhaupt komme, sagte Heinisch-Hosek. Auch der öffentliche Dienst müsse seinen Beitrag zur Erfüllung des Finanzrahmens leisten. "Eine Gruppe hier jetzt herauszuziehen" hält Heinisch-Hosek für verfrüht.

Auf den "alten Vorschlag" bzw. das Jahr 2009 hatte sich auch FSG-Lehrergewerkschafter Himmer im STANDARD-Gespräch bezogen, als er massive Gegenmaßnahmen der Gewerkschaft ankündigte: "Warum sollten wir jetzt etwas zustimmen, das wir 2009 schon aus guten Gründen abgelehnt haben?"

2009 ist der Plan schon gescheitert

Im Februar 2009 hatte die damalige Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) von den Lehrerinnen und Lehrern gefordert, als "Solidarbeitrag" in der Wirtschaftskrise zwei Stunden mehr in der Klasse zu unterrichten. Die Gewerkschaft reagierte erbost, und ein paar Stunden vor der Budgetrede des damaligen Finanzministers Josef Pröll (ÖVP) gab es eine Einigung: Die Unterrichtsverpflichtung wurde nicht angehoben, aber als Ziel für das neue Lehrerdienstrecht ausgegeben – und das ist dann ja auch gekommen, allerdings nur für neu eintretende Lehrerinnen und Lehrer.

Nun aber sollen, wenn die durchgesickerten Details realisiert werden, alle 125.000 Bundes- und Landeslehrer drankommen und zwei Stunden mehr pro Woche in der Klasse stehen. Was die Lehrervertreter mit Nachdruck ablehnen. "Es ist ein schlechter Plan, vor allem aus pädagogischer Sicht", warnt BMHS-Lehrervertreter Himmer. "Das ist pädagogischer Wahnsinn. Die Lehrerinnen und Lehrer haben ja nicht mehr Zeit für die Schülerinnen und Schüler, sondern nur mehr Unterricht. Und niemand kann ernsthaft meinen, dass die Unterrichtsqualität gleich bleibt, wenn sich rundherum nichts ändert."

Mehr Unterricht "kostet was"

Wenn sich da aber was ändern solle, sagt Himmer, "kostet das was" – und das ist genau der Punkt, warum die Erhöhung der Lehrverpflichtung wieder auf den Tisch kommt. Denn die Regierung braucht dringend Geld, und im Bildungsministerium fehlen 340 Millionen Euro. Zwei Stunden mehr Unterricht von allen 125.000 Lehrerinnen und Lehrern würden rund 360 Millionen Euro bringen. Budgetproblem gelöst …

Mehr Unterricht ohne "Ausgleichsmaßnahmen", also zum Beispiel eine echte administrative Entlastung der Pädagoginnen und Pädagogen im Schulalltag, sei inakzeptal und nicht sinnvoll, betont Himmer: "Man müsste überlegen, wo kann man Lehrerinnen und Lehrer so entlasten, dass sie mehr Zeit für die Kinder haben, aber das kann man sicher nicht von heute auf morgen umsetzen." Die Budgetprobleme müssen aber eher heute als morgen gelöst werden.

Quin sieht Rechnungshof als Verbündeten

Eckehard Quin sieht übrigens im Rechnungshof, "der ja nicht gerade zu den Freunden der Gewerkschaft zählt", einen Verbündeten. Denn dieser habe in dem unlängst veröffentlichten Rohbericht über die Frühpensionierungen bei Lehrern auf die hohen Belastungen in diesem Beruf hingewiesen und angesichts der vielen Frühpensionierungen wegen Krankheit oder Dienstunfähigkeit – in dem Fall zwar für ältere Lehrerinnen und Lehrer – "sogar eine Herabsetzung der Lehrverpflichtung vorgeschlagen, weil die Belastungen in diesem Beruf offenbar zu hoch sind – und dann soll die Lehrverpflichtung für alle erst recht erhöht werden?", fragt Quin.

Davor hatte bereits Pflichtsschullehrergewerkschaftschef Paul Kimberger im Gespräch mit der Austria Presseagentur gesagt: "Sollte sich das bestätigen, werden wir entsprechend reagieren. Dann kann ich Kampfmaßnahmen garantieren."

"Nicht auf dem Rücken der Lehrer"

Noch sieht Kimberger die Sache zwar "gelassen": "Eine Meldung der 'Krone', die von keiner Seite bestätigt wird, ist einmal nur eine Meldung der 'Krone'. Sollte man aber eine verfehlte rote Ressortpolitik, wo man jetzt draufkommt, dass zu wenig Geld da ist, auf dem Rücken der Lehrer kaschieren wollen, dann wird das von uns in keiner Weise akzeptiert."

Im Finanzministerium wurden die kolportierten Pläne auf STANDARD-Anfrage nicht bestätigt. Derzeit gebe es Diskussionen mit allen Ressorts, man kommentiere keine Einzelmaßnahmen.

Wie gesagt: Für eine Gruppe kommt eine Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung ohnehin fix: Im Herbst werden voraussichtlich die ersten Lehrer angestellt, für die das Ende 2013 beschlossene Lehrerdienstrecht gilt. Dieses bringt eine - allerdings nicht einheitliche - Erhöhung der Lehrverpflichtung mit höheren Anfangsgehältern bei später abgeflachter Gehaltskurve. Außerdem gilt es vorerst nur auf freiwilliger Basis für neu eintretende Pädagogen - für Neueinsteiger verpflichtend wird es erst 2019. Bereits im Dienst befindliche Lehrer sind davon nicht betroffen. (Lisa Nimmervoll, derStandard.at, 10.4.2015)