Bresnik: "Ich sage zu allem Ja und Amen, weil ich für jede Minute dankbar bin, die Dominic mit Federer schlagen kann."

Wien - Dominic Thiem startet beim Turnier von Monte Carlo in die Sandplatzsaison, zuvor absolvierte Österreichs Nummer eins in Sachen Tennis in der Schweiz ein intensives Training mit Branchenprimus Roger Federer. derStandard.at sprach mit Trainer Günter Bresnik.

derStandard.at: Wie stark kann ein Spieler von einem Training mit Roger Federer profitieren?

Bresnik: Ein Training in dieser Form ist sehr wertvoll. Dominic hat über drei Tage das komplette Programm mit Federer abgespult. Das ist mehr als nur ein simples Einschlagen, die beiden haben jede Menge Punkte gespielt. Dominic sieht, wie viele Bälle Federer retourniert, wie gut er serviert, wie variantenreich sein Spiel ist. Da kann man als Greenhorn einiges mitnehmen.

derStandard.at: Muss man sich als Youngster den Wünschen Federers anpassen?

Bresnik: Ein Federer selbst verlangt nichts, er hat keine Wünsche und stellt keine Forderungen. Er ist ein zuvorkommender Mensch, noch umgänglicher, als man sich das ohnehin denken würde.

derStandard.at: Aber es muss doch einen Plan geben.

Bresnik: Konkret läuft es so ab: Nachdem sich die Spieler eingeschlagen haben, teilen mir die Trainer - in diesem Fall Severin Lüthi und Stefan Edberg - ihre Vorstellungen mit. Ich sage zu allem Ja und Amen, weil ich für jede Minute dankbar bin, die Dominic mit Federer schlagen kann. Und dann geht das Training los.

derStandard.at: Kann man den Ablauf grob schildern?

Bresnik: Zunächst standen jede Menge sinnvolle Übungen an, in der zweiten Hälfte ging es auf Punkte. Mit oder ohne Aufschlag. Am Ende wurden auch viele Sätze gespielt.

derStandard.at: Bedeutet eine solche Einladung einen zusätzlichen Motivationsschub?

Bresnik: Nein, Dominic ist ohnehin bis in die Haarspitzen motiviert, da braucht es keinen zusätzlichen Schub. Aber es ist ein beschleunigtes Lernen. Die Qualität eines solchen Trainings, die Qualität dieses Spielers kann man nicht simulieren. Das ist Gold wert.

derStandard.at: Wie schnell kann sich das positiv auswirken?

Bresnik: Sehr schnell. Ich habe beobachtet, wie es bei manchen Dingen Klick gemacht hat. Dominic hat einiges verstanden und konnte es auch umsetzen.

derStandard.at: Können Sie diesen Prozess näher beschreiben?

Bresnik: Wir wissen seit Jahren, dass im Spiel von Dominic nicht alles perfekt ist. Wir besprechen das auch. Nur: Im Normalfall kommt er damit durch. Gegen einen Federer nicht. Er scheitert in kürzester Zeit mehrmals in Folge. Man bekommt die eigenen Schwächen vorgeführt, das bringt mehr als jedes Gespräch.

derStandard.at: Bislang war Ihr zweiter Schützling Ernests Gulbis Thiems wichtigster Trainingspartner. Sie haben sich kürzlich getrennt, warum?

Bresnik: Es war eine Trennung im Guten, wir hatten erfolgreiche Zeiten. Wenn ich zweimal gegen meinen Stallkollegen verlieren würde, käme ich aber auch ins Grübeln. Obwohl ich Dominic nie bevorzugt behandelt habe, Gulbis hat in den letzten zwei Jahren eigentlich die erste Geige gespielt. Aber es gibt auch Ursachen, die ich nicht öffentlich besprechen möchte.

derStandard.at: Wie wirkt sich der Verlust auf Thiem aus?

Bresnik: Gute Trainingspartner findet man bei Turnieren schnell. Vor allem ein Dominic, der auf der Tour sehr beliebt ist, die Spieler reißen sich um ihn. Es gibt laufend Anfragen. Wenn wir in der Südstadt sind, sieht es freilich anders aus.

derStandard.at: Und zwar?

Bresnik: Wir haben auch hier sehr gute Spieler. Um aber auf Punkte spielen zu lassen, ist es nicht ganz optimal. Man muss es für Dominic erschweren und für die Gegner erleichtern.

derStandard.at: Wie sieht das in der Praxis aus?

Bresnik: Das Einfachste wäre, Dominic ohne ersten Aufschlag spielen zu lassen. Und der Gegner darf fünf erste servieren. Es gibt tausend Varianten. Das ist kein Problem. Wenn ein Spieler etwas im Feld steht, kann er auch den außergewöhnlichen Aufschlag von Gulbis simulieren.

derStandard.at: Gulbis wird also nicht fehlen?

Bresnik: Doch, Dominic konnte sehr viel von ihm lernen. Auftreten, Verhalten, Selbstvertrauen. Ernests konnte wiederum von Dominics Trainingseinstellung, von seiner Disziplin profitieren. Eine Symbiose im besten Sinne des Wortes.

derStandard.at: Sie sprechen immer wieder den guten Charakter des Spielers an. Was beeindruckt Sie dermaßen?

Bresnik: Seine Konsequenz, seine Disziplin, seine Lernbereitschaft, seine Loyalität, seine Ehrlichkeit. Das sind angenehme Eigenschaften. Auch deshalb ist er der Beste in seiner Altersklasse.

derStandard.at: Derzeit steht aber der jüngere Nick Kyrgios in der Weltrangliste vor ihm. Ein Borna Coric kommt auch schon angebraust.

Bresnik: Das sind die Fakten, so sieht es aus. Es ist eine Liga, das sind die besten Spieler der nächsten zehn Jahre. Da werden andere hinzukommen, aber Dominic hat das Zeug, um vorne mitzumischen.

derStandard.at: Andy Murray meinte kürzlich, Thiem sei ein Spieler, der Punkte konstruieren könne.

Bresnik: Das ist ein großes Kompliment. Auf der anderen Seite darf man dadurch nicht vorhersehbar werden, es darf sich kein Schema einschleichen.

derStandard.at: Kann ein guter Spieler zwei, drei oder sogar mehr Schläge vorausdenken?

Bresnik: Nicht exakt. Mit gewissen Spielzügen beeinflusst man aber die Wahrscheinlichkeit der möglichen Antworten.

derStandard.at: Sind es übertriebene Erwartungen, wenn man behauptet, dass Thiem den Saisonstart verpatzt hat?

Bresnik: Nein, der Jahresanfang war schrecklich. Das Jahr ist drei Monate alt, und Dominic hat ein gutes Turnier gespielt, das ist weit unter den Erwartungen. Er war mehrmals krank und in keinem guten Zustand.

derStandard.at: Macht man sich dann Gedanken, oder akzeptiert man Erkrankungen als nicht beeinflussbaren Faktor?

Bresnik: Man hat schon Einfluss. Wenn man fünf Stunden trainiert und am nächsten Tag beim Bundesheer bei Schießübungen fünf Stunden im Freien steht, ist das nicht optimal. Spitzensportler sind oft ausgepowert und dann anfällig für Infekte. Man könnte also das Training streichen oder das Bundesheer vermeiden.

derStandard.at: Wäre Letzteres nicht die beste Option gewesen?

Bresnik: Jeder Maurerlehrling oder Büroangestellte muss dorthin. Warum nicht auch ein Tennisspieler? Er hat dadurch aber die Vorbereitung versäumt, und das hat sich bemerkbar gemacht. Auf Dauer lässt sich Dominics Qualität aber ohnehin nicht aufhalten. (Philip Bauer, derStandard.at, 10.4.2015)