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Chinesische Gäste - im Bild ein Paar im Wiener Burggarten - sind die Hoffnung der Touristiker. Die Herausforderungen sind aber groß.

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Verkehrsbüro-Chef Harald Nograsek

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STANDARD: Wien wächst, auch was die Tourismuszahlen betrifft. Für Hotelbetreiber wohl paradiesisch. Man sperrt ein Hotel auf und bekommt die Betten mühelos gefüllt?

Nograsek: Schön wär's, aber das spielt's nicht. Die Hotelkapazitäten sind leider stärker als die Nächtigungszahlen gewachsen. Das drückt auf den Preis. Letztendlich müssen wir für den gleichen Umsatz mehr Zimmer verkaufen.

STANDARD: Lässt sich im Umkehrschluss sagen, dass Wien so beliebt ist, weil so günstig?

Nograsek: Das spielt sicher eine Rolle.

STANDARD: Legen Sie sich deshalb beim Eurovision Song Contest so ins Zeug - der besseren Auslastung und höheren Preise wegen?

Nograsek: Auch. Wir sind in Wien der größte Anbieter von Hotelbetten, in unseren Austria Trend Hotels allein - ohne Motel One - haben wir etwa 7000. Der Song Contest ist ein Ereignis, das so schnell nicht wieder kommt. Wir sind Partner des ORF, wickeln über unsere Kongressabteilung Austropa Interconvention alle Hotelanfragen der 40 Länderdelegationen inklusive Österreichs ab. Die Veranstaltung ist vergleichbar mit einem Großkongress. Nur dass der Song Contest länger dauert.

STANDARD: Die Stadt rechnet mit etwa 30.000 zusätzlichen Nächtigungen?

Nograsek: Verteilt auf eine Woche. Dividiert man die 30.000 durch fünf, haben wir 6000 pro Tag - bei einer Gesamtbettenkapazität von 65.000. Der Song Contest ist schön, aber katapultiert die Hotelpreise nicht hinauf.

STANDARD: Die Hotelpreise werden in der fraglichen Woche nicht hinaufschnalzen?

Nograsek: Das war die Hoffnung, dass das niedrige Preisniveau anzieht. Wir sehen das aber absolut nicht. Das Preislimit, das die internationalen Delegationen setzen, sind 200 Euro pro Nacht, dann ist Schluss.

STANDARD: Wird es ein Special geben mit Eintritt, Übernachtung, Halbpension?

Nograsek: Song-Contest-Karten werden hauptsächlich im Internet, ausschließlich nach dem Zufallsprinzip verkauft. Ein Kontingent für ausländische Gäste gibt es nicht. Damit gibt es auch keine Pakete und auch keine Specials.

STANDARD: Wird das Motel One am Wiener Hauptbahnhof, das Sie im Joint Venture mit einem deutschen Partner betreiben, rechtzeitig für das Großereignis fertig?

Nograsek: Wir werden zwar früher aufsperren als ursprünglich geplant, aber nicht im Mai.

STANDARD: Es ist ein großes Hotel mit mehr als 500 Betten, es könnte von Beginn an groß starten. Ärgert Sie, dass sich das nicht ausgeht?

Nograsek: Das Haus ist super positioniert und wird auch so gut starten. Eine vorgezogene Eröffnung war für uns auch nie ein Thema. Wichtig ist, dass der Hauptbahnhof klaglos funktioniert. Außerdem liegt der Mehrwert des Song Contest nicht in den zusätzlichen Nächtigungen während des Events, sondern im Imageeffekt für Wien. Die Früchte ernten wir hoffentlich in den Folgejahren.

STANDARD: 2013 hat die Verkehrsbüro-Gruppe in der Hotelsparte Verluste geschrieben. Auch 2014?

Nograsek: Die Zahlen liegen noch nicht vor. Summa summarum haben wir uns verbessert, schreiben in der Hotelgruppe aber noch immer leicht rote Zahlen.

STANDARD: Woran liegt das?

Nograsek: Unsere zwei Hotels in Bratislava und Laibach hatten eine schwierige Zeit, auch die Ferienhotellerie hatte es wegen der Schneesituation im Vorjahr alles andere als leicht. Das sind die Hauptgründe, warum wir noch nicht dort sind, wo wir hinwollen.

STANDARD: Im Mai werden es acht Jahre, dass Sie Verkehrsbüro-Chef sind. Was hat Sie unvorbereitet getroffen in der Zeit?

Nograsek: Die Finanzkrise. Wir haben in der Hotellerie dann auch sofort versucht, mit Kostenmanagement gegenzusteuern. In der Folge haben wir auf Qualitätsverbesserung gesetzt und parallel die interne Struktur stark verbessert. Ein Geschäftsfeld ist dennoch weggeschmolzen sprichwörtlich wie der Schnee in der Sonne.

STANDARD: Und zwar?

Nograsek: Das Geschäft mit Firmenmeetings, Incentive-Veranstaltungen und Kongresse. Da wird noch immer stark gespart. Wir sollten in Österreich nicht vergessen, den Industriestandort zu pflegen. Tourismus funktioniert nur im Windschatten einer starken Industrie.

STANDARD: Im Juni will die EU-Kommission Pläne zur Reindustrialisierung Europas präsentieren. Ihre Unterstützung hat sie?

Nograsek: Das ist wichtig, sonst wird Europa zum Disneyland der Welt. Dort aber braucht man keine hoch qualifizierten Arbeitsplätze, so geht Wettbewerbsfähigkeit verloren.

STANDARD: Es wird immer kurzfristiger gebucht. Überrascht?

Nograsek: Bei meinem Antritt als Generaldirektor war das nicht absehbar. Im Gegensatz beispielsweise zum Internet. Da war klar, wir werden etwas machen müssen. Wir leben in einer Zeit, in der Technik den Menschen treibt.

STANDARD: Waren Sie überrascht, als die Regierung nach anfänglichem Abwiegeln eine Erhöhung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Nächtigungen von zehn auf 13 Prozent beschlossen hat?

Nograsek: Ja. Im Prinzip ist das eine Exportsteuer. Tourismus ist ein Devisenbringer, der die Importe ausgleicht. Jetzt besteuere ich die Exporte? Nicht unbedingt sinnvoll. Und dann noch der Wettbewerbsnachteil. Deutschland besteuert die Übernachtung mit sieben Prozent, die Schweiz gar nur mit 3,8 Prozent. Ein Hotel in Deutschland kann allein wegen des unterschiedlichen Steuersatzes um sechs Prozent günstiger sein als eines in Österreich.

STANDARD: Touristen sollen in Zukunft verstärkt aus dem Reich der Mitte kommen. Haben Sie schon begonnen, Ihre Mitarbeiter zu ermutigen, Chinesisch zu lernen?

Nograsek: Wir haben überlegt, ein Hotel nur für chinesische Gäste zu machen, wo alles auf Chinesisch angeschrieben ist. Derzeit ist das aber nicht aktuell. Chinesische Touristen kalkulieren beinhart. Sie gehen dorthin, wo es günstiger ist, egal ob chinesisch oder nicht.

STANDARD: Allgemein ist es doch so, dass die kaufkräftigste Schicht als Erste zu Reisen beginnt?

Nograsek: Kaufkräftig sind die Gäste aus China, die zu uns kommen, gleichzeitig aber auch sehr sparsam. Wenn sie eine Pauschalreise gebucht haben, fragen sie mitunter, ob das Cola inkludiert ist. Sie gehen jedoch zu Louis Vuitton einkaufen. Wenn die Visa-Bestimmungen einfacher wären, würden mehr Chinesen nach Österreich kommen. Eine Westeuropa-Rundreise in Wien, dem östlichsten Punkt, beginnen zu lassen, hätte Logik.

STANDARD: Was hätte Wien davon?

Nograsek: Dort, wo Rundreisen beginnen und enden, gibt es größere Wertschöpfung. Durch die Komplikationen bei der Visa-Erteilung weichen viele Chinesen auf Italien aus und beginnen ihre Rundreise in Mailand oder Rom. Wir lassen da unnötigerweise sehr viel Geld liegen. (Günther Strobl, DER STANDARD, 11.4.2015)