Wien – Von der Haltestelle der Buslinie 15A geht es vorbei an gläsernen Geschäftsgebäuden, Lkws und Tiefgaragen. Die düsteren Straßenschluchten zwischen den Hochhäusern sind durchzogen vom Geruch nach Benzin und Auspuffgasen. Doch nur wenige Meter weiter verändert sich das Gesicht der Wienerberg-City in Wien-Favoriten.

Dort, wo der Business-Park endet, aus dem der 138 Meter hohe Twin Tower in den Himmel ragt, erstreckt sich ein von namhaften Architekten entworfenes und um das Jahr 2000 errichtetes Wohnviertel. Die Gebäude tragen inoffizielle, von den Bewohnern erwählte Namen wie "Tetris-Haus", "Golfplatzdampfer" oder "Roter Riese".

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Kurt Bauer und Beate Bürkle leben im "Schwarz-Weiß-Tower", dem mit fast 100 Metern und 34 Stockwerken höchsten Wohnturm des Areals. Eigentlich auf der Suche nach einer Altbauwohnung im siebenten Bezirk, verliebten sie sich vor fünf Jahren in ihr jetziges Zuhause – aus dem 29. Stock reicht der Blick von der Triester Straße über den Wienerbergsee und das Naturschutzgebiet bis zum Schneeberg in Niederösterreich.

Kinder auf den Esplanaden

Die Wienerberg-City sei eine "Insel in der Stadt" mit dörflichem Charakter, erzählt das Paar, das sich auch für die Baukunst im Grätzel begeistert. Kinder spielen auf den Esplanaden, Anrainer gehen mit ihren Hunden spazieren oder bleiben plaudernd stehen. "Es ist ruhig, es ist grün, und es gibt viel Platz", sagt Bürkle. Dass das Areal zu dem als "Problembezirk" gehandelten Zehnten gehört, bemerke man hier nicht. Junge und Alte mit und ohne Migrationshintergrund und unterschiedlichem Einkommen seien hier zu Hause. "Die soziale Durchmischung ist gut gelungen", sagt Bauer.

Michael Luger

Dass trotzdem nicht alles perfekt läuft, weiß Susi Dieterich. Sie gehört zu den Ersten, die vor über zehn Jahren in das Viertel zogen, und engagiert sich in der lokalen Agendagruppe. Ein wichtiges Anliegen ist den Anrainern die Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Seit Jahren kämpfen sie dafür, dass sich der Shuttlebus 7B, der zwischen der U6-Station Meidling Bahnhof und der Wienerberg-City verkehrt, nicht nur nach den Mitarbeitern des Business-Parks, sondern auch nach den Bewohnern richtet.

15 Gehminuten zur nächsten Haltestelle

Der Bus fährt außerhalb der Stoßzeiten im 20-Minuten-Takt, abends nur bis 20 Uhr und am Wochenende gar nicht. "Es wäre schön, einen kulturellen Event besuchen und danach noch nach Hause fahren zu können", sagt Dieterich. Die nächstgelegene 15A-Haltestelle ist 15 Gehminuten entfernt – und man müsse auch abends die schlecht beleuchteten Straßen entlang- und an den wenig einladenden Tiefgaragen des Business-Parks vorbeigehen.

Michael Luger

Eine dieser Straßen war jahrelang für Fußgänger wegen des schmalen Gehsteigs kaum passierbar. Mittlerweile wurde ein breiteres Trottoir errichtet. Das durchzusetzen sei aber nicht einfach gewesen, erzählt Dieterich. Wer für solche Baumaßnahmen oder etwa Schäden im Asphalt zuständig ist, sei nicht immer klar – die Grundeigentümer, Immofinanz und Stadt Wien, sowie mehrere Bauträger lägen im Clinch miteinander.

Bemängelt werden von den Bewohnern auch die schlechte Anbindung an das Radwegenetz und das Fehlen eines öffentlichen Spielplatzes. Bei aktuellen Stadtentwicklungsprojekten versuche man aus diesen Fehlern zu lernen, meint Dieterich. Es werde gemunkelt, dass es bei einem anderen Favoritner Bauprojekt immer geheißen habe: "Monte Laa soll nicht Wienerberg werden." (Text: Christa Minkin, Video: Michael Luger, DER STANDARD, 16.4.2015)

Die Karte: Überblick über die Grätzel-Besuche