Wien - In der EU steht am Dienstag eine Weichenstellung bei den Agrotreibstoffen (Ethanol, Biodiesel) an. Dem Umweltausschuss liegt eine Kompromisslösung vor, wird diese nicht angenommen tritt eine ältere Position des Ministerrates in Kraft, vor der Umweltschützer und Menschenrechtsaktivisten massiv warnen.

Dass mit dem Treibstoff vom Acker die Auslandsabhängigkeit abgeschafft werden kann, sei ohnehin eine Lüge. Würde man den derzeitigen Beimischungsgrad von Agrotreibstoffen nur in Österreich erzeugen wollen, bräuchte man dazu ein knappes Drittel der Ackerfläche des Landes, rechnete Christian Lauk vom Institut für Soziale Ökologie an der Uni Klagenfurt vor.

Welche Folgen eine Ausdehnung der Beimengung von Getreide, Mais, Palmöl und Zuckerrohr hat, sehe man am Beispiel Argentinien, das von einem Nahrungsmittelexporteur zu einem -importeur geworden sei. In ganz Südamerika sei zu beobachten, dass arme Landbauern von ihren Äckern vertrieben werden damit diese von Agrarkonzernen für die Spritproduktion verwendet werden könne.

Teller gegen Tank

Werde die Kompromisslösung im Umweltausschuss am Dienstag nicht angenommen, dann verschärfe sich der Konflikt von Tank gegen Teller, so Ulla Rasmussen vom VCÖ. Der Kompromiss sieht vor, dass die Beimengung von Agrotreibstoffen auf sieben Prozent beschränkt und E-Mobilität stärker berücksichtigt wird. Österreich hat jetzt schon einen Beimischungsgrad von 7,5 Prozent und liegt damit EU-weit im Spitzenfeld. Für den Einsatz von Agrotreibstoffen machen sich insbesondere die Landwirte stark, die darin eine weitere Einkommensquelle sehen.

Innerhalb von zehn Jahren hat sich in Österreich die Agrarkraftstoffmenge mehr als versechsfacht. Wichtigster Verarbeiter ist das Agrana-Werk im niederösterreichischen Pischelsdorf, das Ethanol als Benzinersatz herstellt. Bei Biodiesel ist Österreich besonders exportabhängig, laut Lauk wird nur zehn Prozent davon in Österreich hergestellt. Zum Teil würden die Rohstoffe in Sklavenarbeit hergestellt, so Markus Meister vom Welthaus Graz Diözese Graz Seckau.

Dass die Agrosprit-Lobby mit zertifizierten Betrieben den Kritikern Wind aus den Segeln nehmen wolle, sei Augenauswischerei. Seine Kollegin Sigrun Zwanzger meinte, sie habe mit eigenen Augen gesehen, wie ungereinigte Abwässer in einen Fluss geflossen sind - während beim Eingangstor die EU-Plakette klebte.

Nächste Generation

Die von den Agrosprit-Befürwortern ins Feld geführte nächste Generation der Biotreibstoffe, die weit ökologischer sein sollen, sind laut Lauk noch viele Jahre von der Realisierung entfernt - und auch nicht unproblematisch. Einer der Hoffnungsträger sei Holz, aber hier gebe es jetzt schon einen Konkurrenzkampf zwischen der Papierindustrie und den Pelletserzeugern. Beim Getreide wiederum haben in der Vergangenheit die Bierbrauer vor höheren Preisen gewarnt.

In Österreich hatte 2012 der damalige Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (V) monatelang versucht, das in Deutschland gefloppte E10 einzuführen. Der Benzin mit zehnprozentigen Agroanteil stieß allerdings auf breite Ablehnung und wurde schlussendlich nicht eingeführt. Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission kam im selben Jahr zur Erkenntnis, dass Biokraftstoffe aus Raps, Palmöl und Soja das Klima sogar stärker belasten als herkömmliche Treibstoffe aus Erdöl. (APA, 13.4.2015)