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Die Regierung will die Lehrverpflichtung für Lehrerinnen und Lehrer um zwei Stunden erhöhen. Die Gewerkschaft ist empört. Ein Junglehrer hat den zeitlichen Arbeitsaufwand am Schulstandort gemessen.

Montage, Foto: APA/dpa/weigel

Ich bin seit vier Jahren im Dienst und schon desillusioniert. Und zwar deshalb, weil die breite Öffentlichkeit, der Boulevard und die Politik sich permanent anmaßen, über eine heterogene Gruppe Urteile zu fällen. Es werden unhaltbare, niveaulose, hohle, provokante und primitive Anschuldigungen gemacht. "Die Lehrer arbeiten zu wenig! Daran müssen wir was ändern." Aber stimmt das eigentlich? Haben wir – neben acht Millionen Teamchefs im Fußball – auch acht Millionen Bildungsexperten im Land? Um auf einer persönlichen Ebene mithilfe von individuellen Erfahrungen und Schilderungen darauf eine Antwort zu geben – offizielle Studien werden sowieso verschwiegen oder aus "finanziellen Nöten" nicht mehr in Auftrag gegeben –, überprüfte ich meine Arbeitsleistung also selbst.

Überprüfung mittels GPS

Da Lehrerinnen und Lehrer ja offenbar nur an der Arbeitszeit gemessen werden – nicht an ihren unzähligen und umfangreichen Aufgabenbereichen und Tätigkeiten –, installierte ich die App "Rewind" auf meinem Smartphone, welche mithilfe von GPS-Ortung genau aufzeichnete, wann ich das Schulgebäude betrat und verließ. Automatisch wurde eine Statistik erstellt, welche mir exakt die verrichtete Arbeitszeit innerhalb des Schulgebäudes visualisierte.

Nach der Installation schenkte ich der App für eine Woche keinerlei Beachtung mehr. Nach sieben Tagen staunte ich doch sehr. Im gemessenen Zeitraum gleich nach den Osterferien (8. bis 14. April) verbrachte ich genau 37 Stunden und 31 Minuten im Schulgebäude. Und das in einer Woche ohne Schularbeiten und Tests beziehungsweise deren Vor- und Nachbereitung. Übrigens: Gegessen wird neben dem Korrigieren, Wasser getrunken im Unterricht, reine Privatzeit ist quasi nicht vorhanden.

50 Stunden Minimum!

Was zeigt also mein privater Test? Ein durchschnittlich motivierter Lehrer, der seinen Unterricht ordentlich vorbereitet, verbringt mindestens 35 Stunden arbeitend am Schulstandort. Einen erheblichen Teil meiner Arbeit konnte ich gar nicht einfließen lassen in den Test. Denn den Großteil meiner Korrektur- und Vorbereitungsarbeit leiste ich zu Hause. Zur Arbeitszeit in der Schule kommen also etwa 30 Prozent Arbeitszeit im eigenen "Büro" daheim. 50 Stunden sind es bei mir im Durchschnitt wohl allemal.

Bildungspolitik als Sparprogramm

Warum also dieser ewige Vorwurf, wir würden zu wenig "leisten"? Ist es der Neid, dass wir relativ flexibel unsere Freizeit gestalten können? Ist es die Missgunst, dass wir im Sommer zwei Monate "frei" haben? Ist es das Verlangen nach "Vergeltung" wegen der eigenen Erfahrungen? Herr Faymann, Frau Heinisch-Hosek, Herr und Frau Österreicher, haben Sie in der Volksschule einmal kein "Sternderl" für Ihr "Zierleisterl" bekommen, dass Sie so frustriert sind? Ich kann und werde es wohl nie verstehen, warum in unserem Land beim Thema Bildung nur ans Sparen und Raunzen gedacht wird. Es geht um unsere Kinder und um deren Zukunft, verdammt noch einmal! (Bernhard Gmeiner, derStandard.at, 15.4.2015)