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Armenier protestierten im Jänner 2015 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Leugnung des Genozids.

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Das EU-Parlament fordert die Türkei auf, die Deportation der Armenier im Osmanischen Reich als "Völkermord" anzuerkennen, und hat dazu am Mittwochabend eine Resolution beschlossen. In dem am Dienstag fertiggestellten Entwurf heißt es, dass die Resolution den Grundstein für eine Aussöhnung zwischen der Türkei und Armenien legen soll.

"Ganz gleich, was das EU-Parlament heute entscheidet, in der Türkei wird die Information beim einen Ohr hineingehen und beim anderen wieder heraus", sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Mittwochvormittag. Es stehe außer Frage, dass sich die Türkei anschwärzen lasse. "Schließlich leben heute 100.000 Armenier in der Türkei, ungeachtet dessen, ob sie die türkische Staatsbürgerschaft besitzen oder nicht. Wir haben sie nie schlecht behandelt. Wir hätten sie deportieren können, haben wir aber nicht."

Die türkische Presseagentur Anadolu Ajansı berichtete am Mittwoch, dass die "Freunde der Türkei" im EU-Parlament das Vorhaben folgendermaßen rechtfertigt: "Als EU-Beitrittskandidat ist es wichtig, die Sprache des Friedens zu sprechen. Beide Länder sollten einen Dialog anstreben, der Brücken schlägt und in Richtung Versöhnung geht", hieß es von einem Sprecher der Arbeitsgruppe.

Resolution könnte diplomatische Krise hervorrufen

Der türkischen Zeitung "Cumhurriyet" zufolge wird nach der Verabschiedung der Resolution eine ernsthafte Krise zwischen der EU und der Türkei erwartet. Der italienische Europaabgeordnete Antonio Tajani erklärte in seiner Stellungnahme: "Diese Resolution soll nicht als Angriff auf die heutige Türkei verstanden werden, denn die Verantwortung dafür trägt jene Türkei vor 100 Jahren. In vielen Ländern wurden solche Gräueltaten begangen und im Nachhinein anerkannt. Jedes Land hat in seiner Geschichte Fehler begangen."

Man verstehe, dass es für die Türkei ein sensibles Thema sei. "Es ist unsere Pflicht, uns mit unserer historischen Vergangenheit auseinanderzusetzen", sagte Tajani. Er fügte hinzu, dass die Türkei als Land nicht an Bedeutung verliere, wenn sie den Völkermord anerkenne. Man wolle einfach verhindern, dass solche Grausamkeiten jemals wieder passieren. "Wäre so etwas der Türkei widerfahren, hätte das Parlament genau gleich gehandelt," so Tajani.

100. Jahrestag der Massaker

Am 24. April jähren sich die Massaker an den Armeniern zum 100. Mal. Die damalige Regierung des Osmanischen Reichs ermordete während des Ersten Weltkriegs bis zu 1,5 Millionen Armenier. Die Türkei bestreitet, dass es sich um einen Genozid handelte. Sie vertritt weitgehend die Ansicht, dass die Vertreibung der Kriegssituation entsprungen sei, die außer Kontrolle geriet, und kein systematisches Vorgehen gewesen sei. (ta, derstandard.at, 15.4.2015)