Aus Wien in die weite Welt: Thomas Schaffer spielt American Football in den danach verrückten USA.

Foto: Lake Forest Academy Football

Lake Forest / Wien - Wer glaubt, dass der Postkasten vor der Haustür nie so überquellen kann wie das elektronische Pendant, der möchte nicht mit Thomas Schaffer tauschen. "Ich bekomme momentan 80 bis 100 Briefe die Woche. Da muss man sich einmal durchkämpfen", sagt Schaffer. Keine Rechnungen. Auch keine Liebesbriefe. Aber irgendwie doch Sympathiebekundungen.

Thomas Schaffer ist eines der größten Nachwuchstalente im American Football. Der Wiener hat Angebote von 18 US-Universitäten, mit einem Stipendium in der höchsten College-Liga, der NCAA zu spielen. Darunter sind Offerte der stärksten Football-Ausbildungsprogramme des Landes wie der Unis Oregon, Stanford oder California.

"Ich bin überwältigt. Es fühlt sich an wie ein Traum. Die Trainer, die mich unbedingt haben wollen, schreiben mir sogar handgeschriebene Briefe", sagt Schaffer. Spätestens im kommenden Februar muss er sich entscheiden. "Ich habe noch keinen Favoriten. Im Herbst darf ich mich dann bei fünf Unis vor Ort umschauen." Für die Footballstars von morgen werden keine Kosten gescheut. Ein Stipendium über vier Jahre beläuft sich auf eine Viertelmillion Dollar.

Grußkarten statt Gatorade

Die Regeln beim Werben um Talente sind streng. Die Sportler sind Amateure. Anrufen oder SMS schreiben dürfen die Unis nicht. Auf Twitter oder Facebook Nachrichten hinauszuschießen ist aber erlaubt. Schaffer wird von Coaches mehrmals die Woche gefragt, wie es ihm geht. "Grußkarten sind erlaubt. Geschenke wie Schuhe oder Leiberln darf ich aber nicht annehmen." Eine Flasche Wasser "können sie mir mitbringen", aber "ein Gatorade dürfen sie mir nicht kaufen".

Der 18-Jährige hat noch ein Jahr auf der Highschool in Lake Forest, im Bundesstaat Illinois. Klingt idyllisch. Ist idyllisch. Ein schöner Vorort von Chicago, dicht bewaldet und kaum verbaut. Einige Footballprofis des lokalen NFL-Teams wohnen hier. "Es ist abgeschnitten, du kannst nirgendwo hingehen. Die Schule organisiert aber Termine fürs Einkaufen oder Kinoabende." Ab acht Uhr früh hat Schaffer Unterricht, die Bücher stehen nicht nur hübsch im Regal. Die Lake Forest Academy ist eine Privatschule mit 400 Schülern, der Niveauvergleich mit einem Gymnasium ist zulässig.

Die Footballsaison ist im Herbst, im Frühjahr spielt Schaffer im Volleyballteam. "Das hilft mir für meine Hand-Augen-Koordination, für meine Fußarbeit, und ich bekomme ein besseres Gefühl fürs Bällefangen." Schaffer ist groß und explosiv. Gerade beim Volleyball kann er den Talentesuchern zeigen, wie er seine knapp zwei Meter Körpergröße und 115 Kilogramm in die Luft schraubt. "Den Fokus nicht nur auf eine Sportart zu legen, das schult die Athletik."

Quarterback muss weg

Beim Football spielt Thomas Schaffer in der Verteidigung. Er soll gegnerische Laufversuche durch die Mitte unterbinden und wenn möglich auch Jagd auf den Quarterback machen. Der größte Niveauunterschied zum österreichischen Football? "Die Spielgeschwindigkeit." Taktisch sei Österreich nicht weit weg von der Spitze, es gäbe auch in der Austrian Football League (AFL) einige kräftige Kerle. "In den USA findest du aber sauschnelle Spieler wie Sand am Meer." Der Sprint über 40 Yard (36,6 Meter) ist im Football das obligate Leistungsmessinstrument bei der Auswahl der Athleten. Die Schnellsten brauchen gerade einmal etwas länger als vier Sekunden. "Du kannst im Football nicht überleben, wenn du nicht agil bist."

Angst vor Gehirnerschütterungen und Folgeschäden hat Schaffer nicht, körperliche Fitness und richtige Technik vorausgesetzt. "Viele Spieler machen den Fehler, in den Gegner reinschädeln zu wollen. Der Kontakt sollte aber mit der Schulter passieren, nicht mit dem Kopf."

Schuld daran, dass Schaffer Football spielt, ist seine Tante. Mit 13 Jahren fuhr sie ihn und seine damals schon 86 Kilogramm zum ersten Training in Mödling. Mit 15 fiel Schaffer als jüngster Spieler bei der U19-WM in Texas auf.

Mittlerweile pumpt er fünfmal wöchentlich in der Kraftkammer Gewichte, meidet Frittiertes in der Schulcafeteria, sein letztes Eis hat er "vor Monaten gegessen". Er wird auf dem Campus erkannt. Die Leute sind freundlich, zur Oberflächlichkeit fehlt oft freilich "kein Schritt".

Schaffers Traum, das ist ein Engagement in der National Football League. Er wäre der erste Österreicher, der nicht nur als Freekicker zum Einsatz käme. Die beiden Tonis, die ehemaligen Fußball-Nationalteamspieler Toni Fritsch und Toni Linhart, kickten das Eierlaberl in den 70er-Jahren für diverse NFL-Teams.

Vergessener Sieger

Fritsch gewann 1972 die prestigeträchtigste US-Sporttrophäe, die Super Bowl, mit den Dallas Cowboys. 1976 stand er mit den Texanern nochmals im Finale. Ein Österreicher von dem kaum einer weiß respektive spricht: 1982 und 1985 kickte auch Raimund Wersching sein Team, die San Francisco 49ers, in den siebenten Footballhimmel.

Die größte Hoffnung neben Schaffer ist ebenfalls ein Wiener. Aleksandar Milanovic, ein 23-Jähriger Offensivspieler der California State University, Sacramento, will nächstes Jahr im NFL-Draft sein Glück versuchen.

Für Thomas Schaffer ist das noch Zukunftsmusik, es soll aber keine ferne Zukunft sein. Die nächste Station ist im Sommer die Junioren-EM in Dresden. Auch das Herrennationalteam wäre ein Thema, die WM findet heuer sogar in den USA statt. Jedoch ohne Österreich. Zu hohe Teilnahmegebühren und Reisekosten zwangen den österreichischen Verband (AFBÖ) zu einer Absage.

Schaffer würde irgendwann gern als NFL-Profi für Österreich spielen. "Wenn die Leute über deine Träume nicht lachen, sind sie nicht groß genug." (Florian Vetter, DER STANDARD, 17.4.2015)