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Gianni Pittella, Chef der Fraktion der Sozialdemokraten, mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Foto: EPA/JULIEN WARNAND

STANDARD: Ein Jahr nach den Europawahlen hat sich an der schlechten Wirtschaftslage in der EU wenig geändert, was läuft schief?

Pittella: Vor fünf Jahren unter der alten Barroso-Kommission haben wir lediglich vom Sparen und der Haushaltskontrolle gesprochen. Die neue Kommission ist nun dabei, einen ambitionierten Investmentplan umzusetzen, der es der europäischen Wirtschaft erlauben wird, sich zu erholen. Aufgrund unseres entschiedenen Einsatzes, werden zum ersten Mal in der Geschichte Investitionstätigkeiten nicht automatisch auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt angerechnet. Das ist natürlich noch nicht genug, aber wir haben erste positive Entwicklungen gesehen.

STANDARD: Die Sozialdemokraten sind in der EU-Kommission in einer informellen Koalition. Warum gibt es keine stärkere Handschrift?

Pittella: Wir befinden uns nicht in einer großen Koalition. Wir arbeiten in legislativer Kooperation mit den anderen Parteien zusammen, die die Wahlen gewonnen haben. Es wäre sicherlich leichter gewesen, in die Opposition zu gehen, die Arbeit der Institutionen zu blockieren. Dies wäre aber unverantwortlich gewesen. Wir wollen maßgeblich die Arbeit der Kommission mitbestimmen.

STANDARD: Die Fraktion scheint ein wenig gespalten zu sein, es gibt viele, die mit der radikalen Linken, mit Tsipras in Griechenland, mit Podemos in Spanien sympathisieren. Fürchten Sie eine Schwächung?

Pittella: Wir sind sicher, dass der PSOE ein gutes Ergebnis bei der anstehenden Wahl in Spanien erzielen wird. Die zunehmende Popularität dieser Bewegungen in Europa ist das Ergebnis jahrelanger Sparpolitik. Ihr Entstehen ist daher nicht verwunderlich. Wir wollen dieses Paradigma zusammen mit unseren Schwesterparteien in den Mitgliedstaaten ändern. Als Ausweg aus der Krise muss Europa die Möglichkeit wiedererlangen, in die Zukunft zu investieren, auf den Gebieten der Forschung, Bildung, Infrastruktur und Wettbewerbsfähigkeit.

STANDARD: Sie kommen zum ersten Mal als Fraktionschef nach Österreich. Was ist die spezielle Rolle, die die österreichische Sozialdemokratie in der EU spielen kann?

Pittella: Die Kolleginnen und Kollegen besitzen eine besondere Sensibilität, wenn es um das Zusammenwachsen von West- und Osteuropa geht. Dies ist gerade in dieser schwierigen Zeit von besonderer Bedeutung. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 17.4.2015)