"Lieben und Haben", z. B. Besen und Bürsten.

Foto: Lisi Specht

Es gibt drei Arten von Sammlern. Jene, die sammeln müssen, trotz oder gerade wegen des Wissens, dass ihre Sammlung nie komplett sein wird, aber da ganz dicht an etwas zu sein, ist die kleine, interessantere Schwester des Kompletten, weil der Zustand der Vollständigkeit irgendwann sowieso langweilig wird, Motto: Ich kann nicht voller als voll werden, es geht also diesen rastlosen Sammlern um die Bewegung, nicht um das Ziel. Um Hunger, nicht um Sättigung.

Dann gibt's die ethnografischen Sammler, denen eine Vollständigkeit egal ist, sie wissen ja, das kann uferlos ausarten und nie zum Ende kommen, sie konzentrieren sich auf einzelne Objekte, die von sich aus strahlen und Licht auf andere Objekte der Sammlung werfen, ein in sich funktionierender Organismus, dessen Ziel eher die Reduktion aufs Wesentliche ist, und der die Wirkung sozusagen nach innen entwickelt.

Die dritte Gruppe der Sammler sind die des seriellen Sammelns, es sind nicht die jeweiligen Objekte, die den Reiz ausmachen, es ist die Monotonie des Gesamtkörpers, deren Schönheit sich umso mehr entwickelt, je exklusiver die Objekte sind, und diese Exklusivität kann auch in einer absichtsvollen Banalität liegen, in die man Mitleid mit dem scheinbar Unbedeutenden projizieren kann. Ich kenne beispielsweise eine Frau, die sammelt Fotos von kaputten Wäschespinnen, die deren Besitzer diskret, meistens im Schutze der Dunkelheit, irgendwo am Straßenrand ausgesetzt hat. Dann kenne ich einen Mann, der sammelte Interviews mit Schauspielerinnen, deren Nachnamen auf -cke enden, zwei hatte er schon, Evelyn Künecke und Edith Hancke, dann ist die Sammlung eingeschlafen oder als nicht mehr interessant erklärt worden.

Die Briefmarke, die mir fehlt

Auch eingeschlafene Sammlungen können einen Reiz haben, nicht auffallen, nicht groß werden, eben nur angedacht und anders sein. Auch ich habe zwei Sammlungen dieser Sorte, Postkarten mit Lämmern, auf denen Fliegen sitzen, ich weiß nicht mal, wie viele ich davon besitze und wo sie sind, diese Sammlung ist also auch unabgeschlossen abgeschlossen. Dann sammle ich Sparkonten mit Minimalsteinlage auf entlegenen Inseln, deren Banken die Insel im Institutsnamen tragen, davon habe ich vier, bei der Banco dos Açores, der Bank der Azoren, der Ålandsbanken, dem Geldinstitut des Archipels zwischen Finnland und Schweden, der Jeju Bank, der Bank der koreanischen Insel Jeju-do und der Bank of Nauru, der Insel, die hauptsächlich aus Vogelscheiße besteht, auch hier ist mein Interesse erlahmt, der Reiz ging über den schnöden Besitz von ein paar Sparbüchern hinaus, er bestand darin, dass man dann etwa von Nauru eine kleine Summe auf die Ålandinseln schickt, oder umgekehrt, nur um diesen schwach ausgeprägten Transfermuskel in Bewegung zu halten und sich vorzustellen, wie ein Bankbeamter in Mariehamn (Hauptstadt der Ålandinseln) oder Yaren (Hauptstadt Naurus) sich wundert, woher denn da jemand in seltsamer Währung etwas überweist.

Die nächste Form des Sammelns wäre eine metaphysische, die nur ausformuliert ist, aber nie realisiert, man könnte ein Sammlungsinstitut eröffnen, das Leute berät, die etwas sammeln wollen, aber nicht wissen, was. Die bisher vielleicht nur ihre Milchzähne gesammelt haben, halbherzig Figuren aus Überraschungseiern sammeln und ein paar Bob-Dylan-Bootlegs haben, aber schon merken, das wird nichts, das befriedigt nicht wirklich.

Beim Sammeln geht es auch um Befriedigung, sich an einer geheimen Ordnung delektieren, das ist mein Museum, das hab ich gebaut, ich bin hier der Direktor. Und vielleicht muss man zum Sammeln naiv sein, vielleicht kompensiert das etwas, eine Unordnung, die in oder seit einer frühkindlichen Phase des Lebens noch ungeregelt irgendwo herumliegt. Oder es beruhigt die eigene Ordnung in einer unordentlichen Welt, in der man sich nicht mehr zurechtfindet.

Eine Frage bleibt im Raum hängen: Warum sammeln mehr Männer als Frauen, die früher die Sammlerinnen waren, während die Männer jagten. Ersetzt heute das Sammeln das Jagen? Jage ich nicht eigentlich diese eine seltene Briefmarke, die mir in meiner Sammlung noch fehlt? Aber was machen die Frauen? Die banalste Antwort: Schuhe sammeln, aber das stimmt nicht, die werden ja auch getragen. Sammlungen werden normalerweise musealisiert, weil sie sich abnutzen und sie sich dann im Wert mindern. Also warum sammeln Frauen nicht? Wahrscheinlich, weil sie keine Zeit haben, sie müssen sich immer wieder eine Ausrede einfallen lassen, wenn sie zum soundsovielten Mal die Frage hören, ob sie noch "mit raufkommen mögen", wenn ihnen jemand die Briefmarkensammlung zeigen möchte.

Man kann aber auch Erklärungen sammeln, warum man sammelt, die Befriedigung vor der Befriedigung, immer einen Schritt weiter sein, den Rest, also das eigentliche Sammeln, können die anderen erledigen, man hat dann ein paar Staubfänger weniger in der Wohnung. Außer man sammelt Staub. Wie ich. Ich hatte mal eine Phase, da hab ich nur einmal im Jahr in meiner Wohnung Staub gesaugt, den Staub in Briefkuverts gefüllt, beschriftet und hatte so über ein Jahrzehnt Jahrgangsstaub, den ich vergleichen wollte. Dann bin ich umgezogen und hab den Staub entsorgt, Umzüge sind auch immer eine gute Gelegenheit, Sammlungen loszuwerden oder sie einem Museum zu überantworten. (Tex Rubinowitz, Album, DER STANDARD, 18./19.4.2015)